Gott Und Die Welt Unser Warten auf den nächsten freien Mitarbeiter

Der Kunde ist König - hieß es früher einmal. Heute regiert der Servicegedanke, der mit einer geschickten psychologischen Führung unser Warten zur Belohnung werden lässt.

Unsere mit Abstand modernste Monarchie dürfte jene aus dem Reich des Konsums sein. "Der Kunde ist König" lautet der Herrschaftsanspruch, den die Marketing-Herolde frohgemut verkünden. Wobei die Krone nur von mattem Glanz ist, da der Kunde eben nur als Kunde König sein darf und sein Titel gewissermaßen erst erkauft werden muss.

Die Kunden-König-Nummer ist inzwischen weitgehend abgelöst worden durch den Service-Gedanken, der zwar immer noch eine gewisse Ehrerweisung verspricht, alles Herrschaftliche indes abgelegt hat. Der Service besticht durch eine Dienstleistung mit freundlicher Funktionalität. Das wird besonders spürbar in der Kommunikation mit sogenannten Hotlines. Der erste Trugschluss dabei ist, dass wir glauben, tatsächlich betreut zu werden, wobei es in vielen Fällen erst einmal eine Bandansage ist, die in manchen Fällen sogar sich auf eine Zeit ausdehnen kann, die man allenfalls dem von einer Weltreise zurückgekehrten Freund zu widmen bereit wäre. Früher wurde die Wartezeit mit klassischer Musik hinterlegt; mittlerweile gibt es ein ganzes Bouquet verschiedener Ansagen, die den Servicebedürftigen geleiten. Was uns neulich also überraschte, war die erste Ansage: "In zwei Minuten und 40 Sekunden werden Sie mit einem Mitarbeiter verbunden!" Das war nicht nur eine sehr annehmbare Zeit; das verblüffte auch in seinem Anspruch auf Genauigkeit und ließ eine perfekte Organisation vermuten. Dass wir nach über 20 Minuten nicht mehr auf die Uhr schauten, sei hier nur am Rande vermerkt. Weil schon der zweite Wortlaut uns bald empfing: "Haben Sie noch einen Augenblick Zeit, wir sind gleich für Sie da." Okay, das war Standard, dann aber folgte dies: "Bitte legen Sie nicht auf, Ihr Anruf ist uns wichtig. Der nächste freie Kundenberater nimmt Ihren Anruf gleich entgegen." Das war eine Wertschätzung, die alsbald mit einer Belohnung gekrönt zu werden schien: "Vielen Dank, dass Sie gewartet haben, es dauert nun nicht mehr lange." In der Folgezeit, in der sich diese Ansage-Dramaturgie mehrfach wiederholte, reichte es zur Überlegung, dass man in diesem Pseudo-Dialog vom Kunden zum Bittsteller wurde. Dass man einen Dienst einfordern wollte und sich am Ende geehrt fühlen musste, als Nächster an der Reihe zu sein. Unsere traurige Krönung bestand am Ende nur noch darin, in der Pole-Position des Service zu stehen.

Am nächsten Tag riefen wir erneut an. Diesmal folgte keine Ansage, sondern leibhaftig die Stimme des Kundenberaters. Was wir wünschten, hieß es gleichermaßen handfest wie verbindlich. Verstört legten wir erneut auf.

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(RP)
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