Gott Und Die Welt Und was macht das Pferdefleisch jetzt mit uns?

Am Frühstückstisch war es diesmal ruhig, am Niederrhein würde man stickum sagen, was fast das Gleiche ist. Doch geht es diesmal nicht um Sprache, sondern um die Wurst und die Frage, wie sie nun tatsächlich heißt. Wer hat in diesen Tagen der Lebensmittelskandale noch die Chuzpe, um die einfache, ehrliche Leberwurst zu bitten? Wer will schon den Tag mit einer Lüge beginnen? Sollte man nicht lieber die korrekte Bezeichnung wählen und um einen braun gefärbten Brotaufstrich bitten mit Schweinefleisch (39 Prozent) und Schweineleber (31 Prozent), mit Schweinespeck und Speisesalz, mit Gewürzextrakten und Invertzuckersirup, mit Antioxidationsmittel und Natriumascorbat, mit Zucker, Vanillin und Emulgator, mit Citronensäureester von Mono- und Diglyceriden, mit Natriumnitrit und Kunstdarm? Man erkennt an solchen Auswüchsen , dass die Art der Ernährung uns kommunikativ vor neue Herausforderungen stellt. Warum bedarf es überhaupt all der Zutaten, die sich lesen wie der Beipackzettel irgendwelcher Zytostatika? Wenn früher ein Neandertaler ein Mammut erlegt und es dann zum Neandertaler-Supermarkt geschleppt hatte, wurde es wahrscheinlich bloß als Mammut deklariert. Nicht mehr und nicht weniger. Würden Mammuts heute noch existieren, kämen sie schon deshalb in keine Kühltheke, weil die Ergänzungsmöglichkeiten der Chemiker so opulent wären, dass die Liste der Zusatzstoffe im Taschenbuchformat publiziert werden müssten. Plötzlich ist also vieles fraglich geworden, nur wegen des Pferdefleisches, das allenfalls in den niederrheinischen Sauerbraten-Topf gehört, aber nicht in die aus Südeuropa eingewanderte Lasagne. Ein Therapeut würde fragen: Und was macht das Pferdefleisch jetzt mit Ihnen? Dabei muss an dieser Stelle auch erwähnt werden, dass das einst lieb getätschelte Pferdefleisch weder willentlich noch wissentlich jemals auf unseren Frühstücks-, Mittags- oder Abendtisch fand. Wer aber profitiert am Ende von den Folgen der kriminellen Handlungen? Zumindest im Umfeld des Frühstückstisches war diese Frage schnell beantwortet: Es war der treu zu Füßen sitzende Hund, dem es egal war, was ihm da hinabgereicht und auf diese Weise entsorgt wurde. Sein Gehabe zeigte nur – echt lecker ist es, das Mammut.

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(RP)
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