Kolumne: Gott Und Die Welt Mein Leben mit Luther

Luthers Freiheitsverständnis entbindet vom Zwang, sich selbst zu verwirklichen, nimmt gar die Angst vor dem Leben und Sterben. Welch ein lebensförderlicher Glaube!

 Der rheinische Präses Manfred Rekowski.

Der rheinische Präses Manfred Rekowski.

Foto: dpa, Daniel Naupold

Warum glauben Sie? Ich freue mich immer, wenn mich das jemand fragt; kann ich doch dann von dem erzählen, was mich bewegt: der befreienden Botschaft des christlichen Glaubens, wie sie etwa auch Martin Luther umgetrieben hat. Mit Martin Luther bin ich aufgewachsen. Zu ihm gefunden habe ich allerdings erst später, als ich bereits junger Student war. Ich entstamme einer lutherisch geprägten Familie. Meine Eltern waren auf ihre Weise sehr fromm, allerdings auf eine enge Art, die so gar nichts von der Freiheit und Fröhlichkeit des christlichen Glaubens zeigte, wie ich ihn viel später entdeckte. Als Jugendlicher nahm ich Luthers Katechismus mitsamt den Zehn Geboten vor allem als strengen Verhaltens- und Glaubenskodex wahr.

Dass der so hochgelobte Reformator in das Innerste der Seele dringen könnte, habe ich erst zu Beginn meines Theologiestudiums gespürt, als ich in einem Seminar erkannte, welch Seelsorger Luther war. Ich wünschte mir, dass diese Seite Luthers wieder stärker beachtet wird. "Sermon von der (Vor-)Bereitung auf das Sterben" hieß die kleine Schrift, die wir studierten. Einfühlsam vergleicht Luther hier das Sterben mit der Geburt. Auch wenn es ein Text ist, der Mut macht, sich dem Ende zu stellen, ist er für mich doch vor allem zu einer Lebenshilfe geworden.

Von dort war es für mich nur ein kleiner Schritt zu Luthers bahnbrechender Schrift "Von der Freiheit eines Christenmenschen", die in der heutigen, auf ihre Freiheiten stolzen Gesellschaft aktuell ist wie zu Luthers Zeiten. Für Luther erlangt wahre Freiheit nur, wer sich bindet. Und zwar nicht an Geld oder Macht oder Ansehen, sondern an Gott allein, für Luther konkret: an Jesus Christus. Nur so wird ein Mensch von allen anderen Bindungen frei. Dieses Freiheitsverständnis entbindet vom Zwang, sich selbst zu verwirklichen, nimmt gar die Angst vor dem Leben und Sterben. Und befreit zu einem Handeln, das nicht an den Erfolg geknüpft ist - und auch nicht an den Misserfolg. Welch ein lebensförderlicher Glaube! Darauf vertraue ich, darum glaube ich.

Gehen Sie doch am kommenden Dienstag, dem Reformationstag, einmal in eine der evangelischen Kirchen in Ihrem Umfeld oder schauen Sie im Fernsehen oder im Internet nach Sendungen zur Reformation, sicher finden Sie einen Beitrag, in dem Sie die befreiende Kraft des christlichen Glaubens spüren. Ich wünsche es Ihnen.

Der rheinische Präses Manfred Rekowski schreibt hier an jedem vierten Samstag im Monat. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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