Kolumne „Gott und die Welt“ Maria als Zankapfel

Düsseldorf · Die Christen streiten um die Deutungshoheit über die Figur der Mutter Gottes.

 Die Marien-Statue im Aachener Dom (Symbolfoto).

Die Marien-Statue im Aachener Dom (Symbolfoto).

Foto: dpa/Ralf Roeger

Maria hat es schwer in unserer Zeit. Selbst an ihrem morgigen Feiertag wird sie oft missverstanden. Denn Mariä Empfängnis hat nichts mit der sogenannten Jungfrauengeburt zu tun. Sie ist also nicht die, die empfängt, sondern die, die vor ihrer eigenen Geburt empfangen wird. Und das auf ganz besondere Weise: Durch Gottes Gnade kommt Maria ohne Erbsünde auf die Welt. Sie ist frei von jeder Schuld. Darin unterscheidet sie sich von allen anderen Menschen. Mit ihrer Geburt erfährt Maria gewissermaßen einen Sonderstatus.

Später einmal die Mutter Gottes zu sein, wird mit ihrem ersten Atemzug zu ihrer Bestimmung. In der Gestalt der Maria wird aber auch der Streit darüber ausgetragen, wie Glaube in unserer Zeit lebendig bleiben und die Rolle der Frau in der Kirche zeitgemäß gestaltet werden könnte. Das Gedenken Mariä in der Kirche ist seit jeher bestimmt von einer tiefen Verehrung. Es hat sie auch zu einer Säulenheiligen werden lassen: emporgehoben und weit entrückt.

Die katholische Bewegung „Maria 2.0“ dagegen versucht, sie gewissermaßen bodenständig zu machen und sie zur Symbolfigur für eigene Bestrebungen nach Gleichberechtigung zu formen – bis hin zum Weiheamt für Frauen. Und natürlich gibt es inzwischen auch „Maria 1.0“ als Antwort auf solche Versuche einer Neuorientierung. Maria als Zankapfel. Als gelte es, Deutungshoheit über die Muttergottes zu bekommen. Vielleicht lehrt uns Mariä Empfängnis auch: Hervorgehoben von allen anderen Menschen dient sie nicht dazu, instrumentalisiert zu werden, weder für die eine noch für die andere Seite. Maria steht aber nicht über allem; sie ist mitten unter uns. Wenn wir sie als Muttergottes begreifen, ist sie Friedensstifterin. Sie spaltet nicht, sie versöhnt. Auch das ist die Botschaft ihrer Empfängnis.

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