Kolumne: Gott Und Die Welt Keine Geschenke - wie schön

Irgendwann ist ein verwegener Mensch in unserer Familie auf folgenden tollkühnen Gedanken gekommen: wie es denn wohl wäre, in diesem Jahr zum Fest einander nichts zu schenken. Das führte im ersten Jahr zu schroffer Ablehnung und kurzfristigen Familienaussschluss, im zweiten Jahr zu Nachdenklichkeit, im dritten Jahr zum ersten Probelauf - bei dem nur die Oma patzte. Aber seither gelingt es reibungslos, und so platt positiv (und vielleicht selbstgefällig) es auch klingen mag: Es ist tatsächlich ein anderes Weihnachtsfest. Unaufgeregter, gesprächiger, festlicher.

Das klingt wie ein Klischee und zugleich wie eine Kampfansage ans Schenken. Das nicht. Aber jeder kann sich ganz in Ruhe einmal die Frage stellen, warum es zu Weihnachten Geschenke geben muss? Sie sind ja nicht an eine besondere Person gebunden, wie etwa zum Geburtstag. Es sind - streng genommen - ideelle Geschenke, rituelle Gaben. Dass das Geben seliger als Nehmen ist, hat zwar christlichen Ursprung und findet sich in der Apostelgeschichte. Doch ist der Vers keine dankbare Begründung für die üppigen Weihnachtsbescherungen, weil nämlich unterm Weihnachtsbaum so gut wie nie Bedürftigen oder Notleidenden geholfen wird?

Die Frage muss ohne Antwort bleiben, zumindest ohne weihnachtliche Begründung, warum wir uns und andere beschenken, warum wir Erwartungen wecken und selbst angespannt sind, womit wir von wem bedacht werden. Geschenke geben immer zweifache Auskunft. Über den Geber - wie gut kennt er mich? Und über den Nehmer - wie dankbar kann er sich zeigen? Schenken kann so zur sensiblen Angelegenheit werden, was auf keinen Fall gegen diese alte Tradition des Freundschafts- und Liebesbeweises spricht. Schenken ist wichtig, es ist eine sehr persönliche Handlung.

Ein wenig scheint davon noch in dem altertümlich wirkenden Wort "Gabe" zu stecken - stärker noch in der Hingabe. Gerade deswegen ist das Weihnachtsfest dafür ein eher schwieriges Umfeld. Es ist bei allen guten Vorsätzen einfach schwer, die nötige Aufmerksamkeit und Achtsamkeit aufzubringen. Aber zum Glück gibt es keine Vorschriften. Und auch diese Zeilen wollen nicht belehren, geschweige denn überzeugen. Es sind alles nur persönliche Erfahrungen, die ich deshalb schildere, weil sie guttun und bei uns plötzlich ein ganz neues, anderes Fest haben entstehen lassen. Daran ändert sich auch nichts, wenn die Oma traditionell frohgelaunt mal wieder aus der Reihe tanzt.

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(RP)
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