Kolumne: Gott Und Die Welt Fasten ist auch ein Glaubensbekenntnis

Am Aschermittwoch beginnt für viele Menschen eine Zeit des Verzichts. Doch nur selten werden die 40 Fastentage noch in ihrem biblischen Zusammenhang gesehen.

Vielleicht sind wir Deutschen auch darin wieder Weltmeister, zumindest aber beinahe so etwas wie Profis: im Fasten nämlich. So haben namhafte Meinungsforschungsinstitute und noch namhaftere Krankenkassen ermittelt, dass in der Gruppe der 30- bis 44-Jährigen - also jene, die in der sogenannten Mitte des Lebens stehen - stolze 68 Prozent schon einmal gefastet haben. Und zwar gezielt und über einen längeren Zeitraum hinweg. Auf der Folterskala unseres Verzichts stehen Alkohol an erster und Süßigkeiten an zweiter Stelle.

Die staunenswert hohe Beteiligung am Fasten steht im kruden Gegensatz beispielsweise zum spärlichen Gottesdienstbesuch hierzulande oder zur aktiven Teilnahme am Gemeindeleben. Es ist, als habe sich die Übung, eine Zeitlang mit Verzicht zu leben, vom Spirituellen nach und nach gelöst. Gemeinsam mit Diäten und Entschlackungskuren aller Art ist der Verzicht auf bestimmte Nahrung zu einer überwiegend profanen Angelegenheit geworden. Da auch dieser Wandel zeitgemäß erscheint und sich die Handhabung der Abstinenz ohnehin kaum von den Fastenpraktiken vergangener Jahrhunderte unterscheidet, könnte man dies ohne Trübsal hinnehmen. Allerdings nähme man damit auch in Kauf, die größeren Zusammenhänge kurzerhand auszublenden, die mit dem Fasten verbunden sind.

So ist spirituelles Fasten nicht isoliert von der Zeit zu sehen; es ist nicht beliebig. Das wiederum hört sich nach Maßregelung an. In Wahrheit ist es eine Verständnishilfe, eine Handreichung. Denn die Fastenzeit ab Aschermittwoch ist eine Buß-, aber auch Vorbereitungszeit auf Ostern, auf die Auferstehung Jesu. Mit unserem Verzicht machen wir Tag für Tag etwas wertvoll, was noch kommen wird. Wir stellen uns in eine Geschichte, die mit den 40 Fastentagen noch weiter wird: Nach biblischer Überlieferung fastete Jesus 40 Tage in der Wüste; 40 Tage regnete es während der Sintflut, 40 Jahre zogen die Israeliten durch die Wüste, 40 Tage fastete auch Moses und begegnete Gott auf dem Berg Sinai.

Diese 40 ist mehr als nur Zahlenmagie. Die gemeinsame Zahl schafft eine Verbindung; markante Punkte der Schöpfungs- und Heilsgeschichte finden in der Zahl zusammen und ergeben einen Sinn. Der Fastende selbst wird Teil von alldem. Es macht bescheiden, auf sehr alten Wegen unterwegs zu sein. Es gibt einem aber auch die Verantwortung, diesen Weg erneut und weiter zu gehen. So altmodisch das klingen mag: Fasten bleibt ein Bekenntnis zum Glauben.

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(RP)
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