Gott Und Die Welt Eine Urlaubsreise muss mehr als nur die Abwesenheit von Arbeit sein

Der Ernstfall des Sommers heißt Urlaubsreise. Mit Antritt der kleinen oder großen Fahrt beginnt nämlich die Wirklichkeit einzubrechen in unsere Träume und Wünsche. Wie schön waren doch all die Planungen: das Blättern in den Hochglanzkatalogen oder die unerwartete Anregung von Freunden, die Neugierde auf ein fremdes Land oder nur die Freude, das so oft bereiste Dorf wieder aufzusuchen. Und weil vieles bitte auch wahr werden soll, wächst der Druck, dies tatsächlich erleben zu müssen. Die Reise wird dann schnell zum Stresstest - und darum ist kurz vor den Sommerferien die Gilde der guten Ratgeber gefragt. Die Evangelische Kirche unterstreicht die Dringlichkeit ihrer Beratung sogar damit, den Urlaub zum potenziellen "Horrortrip" zu erklären. Ihre seelsorgerischen Tipps: Urlaub als Auszeit vom Alltag zu begreifen; Kompromisse bei der Planung zu schließen, auf Bewährtes zurückzugreifen, Konflikte nicht im Urlaub zu bearbeiten und schließlich positive Urlaubserfahrungen (so es die gibt) in den Alltag einzubauen. Das sind einzuübende Verhaltensmuster, mit denen das Schlimmste verhindert werden und etwas Schönes entstehen kann. Die Frage aber, warum das alles so ist oder auch sein muss, bleibt davon unberührt. Weil Urlaub an sich gut und immer verdient ist und bitte glanzvoll sein soll. In der scharfen Abtrennung zur Arbeitswelt wird die freie Zeit eine Art Ausnahmezustand. Sie wird definiert als eine Befreiung von Arbeit und dazu überladen mit unseren Projektionen vom Glück. Die Reise wird also genährt von der Welt unserer idyllischen Vorstellung. Dass die mit der Wirklichkeit in den meisten Fällen aber nichts zu tun hat, wissen wir alle. Umso erstaunlicher bleibt es, dass wir diesem süßen Selbstbetrug so oft erliegen. Der hohe Stellenwert von Urlaub sagt viel über unser Alltagsleben als Arbeitsleben aus. Vielleicht hilft es ja, den Ferien wieder etwas mehr Normalität zu schenken. Wenn im Urlaub nicht alles perfekt gelingen muss, wird vieles möglicherweise ganz ordentlich klappen. Wir haben dazu tatsächlich alle Freiheit. Denn der Anspruch auf Glück ist immer nur unser eigener.

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(RP)
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