Kolumne: Gott Und Die Welt Der Totensonntag ist auch ein Tag unserer Hoffnung

Erst beginnt die dunkle Jahreszeit, und dann kommt noch der Totensonntag hinzu. Jetzt scheint es also noch einmal richtig ernst und finster zu werden, bevor wir uns im Lichterglanz der Adventsmärkte allmählich, endlich und umfassend aufs Weihnachtsfest besinnen können. Wer auf diesem Weg aber den Totensonntag als letzte und vor allem lästige Stimmungshürde begreift, hat auf das Totengedenken oft nur eine Antwort: die Distanz. Das muss nicht immer etwas mit Gleichgültigkeit zu tun haben. Weil in diesem Abstand sehr oft auch eine Verlusterfahrung aufscheint - der Verlust einer religiösen Jenseitshoffnung.

Der Totensonntag ist nicht nur ein Trauertag. Er wird zu einem Tag unserer Selbstbestimmung und unserer Verantwortung, indem wir vor dem Grab der Verstorbenen als Lebende und in gewisser Weise auch Überlebende auftreten. In unserem Gedenken an das, was uns mit dem Toten verbindet, nehmen wir den Faden der Vergangenheit auf und stellen uns in eine Nachfolge, die die Gegenwart meint und auf die Zukunft zielt. Der Totensonntag hat somit immer zwei Gesichter, zwei Stimmungen: die trauernde Rückschau und den optimistischen Ausblick. Auch das kann ein Moment der religiösen Jenseitshoffnung sein - als eine Art symbolische Transzendenz.

Dass Leben, Tod und Sterben auch religiös Unmusikalische nicht unberührt lassen, zeigt sich aktuell in der Debatte um die sogenannte Sterbehilfe. Wie sich dabei plötzlich der Ton unter Politikern wandelt! Und wie dann über unser Leben als etwas Gegebenes nachgedacht wird und dabei unsere Hoffnung Worte findet, in Würde sterben zu können! Es geht nicht immer nur darum, den vielen Meinungen noch eine weitere hinzuzufügen. Weil wir in dieser Debatte zu ahnen gelernt haben, dass es vielleicht die eine Antwort gar nicht geben kann und dass auch darin ein Vertrauen auf Gott wurzelt.

Der Totensonntag liefert dazu keinen Debattenbeitrag; er ist als Forum dazu ungeeignet. Er ist aber die stille Einladung zur Selbstbefragung an jeden Einzelnen und ist darum seinem Wesen nach weder konfessionell - obgleich er als evangelische Entsprechung des Allerseelentages gilt - noch strikt religiös gebunden. Der Totensonntag wurde 1816 sehr profan vom Preußenkönig Friedrich Wilhelm III. angeordnet und meint alle, die der Toten gedenken wollen und diese in den Erinnerungen lebendig werden lassen können. Darin kann jene Kraft ruhen, die dem Totensonntag seinen zweiten und weit helleren Namen gab: Ewigkeitssonntag.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort