Kolumne: Gott Und Die Welt Der sintflutartige Regen ist kein Gottesurteil

Das Wetter können wir voraussagen, aber nicht ändern. Diese Ohnmacht macht uns fassungslos. Und flugs sind wir dabei, höhere Instanzen verantwortlich zu machen.

 Unser Autor Lothar Schröder.

Unser Autor Lothar Schröder.

Foto: Schröder

Sie sind die eigentlichen Auguren des 21. Jahrhunderts, die in prekären Augenblicken unseres Alltags Autorität erlangen. Das sind die Wetteransager, die Vorhersager von Sonne, Wind und Regen, sind also jene Weissager, die vor den Wetterkarten mit ausladenden Armbewegungen alle Hochdruck- und Niederschlagsgebiete sowie Windstärken und Regenmengen uns Ahnungslosen, aber Betroffenen präsentieren. Die Wettervorhersager sind kleine Stars. Sie können alles erklären, nur ändern können sie nichts. Das liegt im wahrsten Sinne des Wortes in der Natur der Sache. Und vielleicht ist das Wetter genau deshalb so faszinierend und als Thema so unerschöpflich: Es markiert eins der letzten Gebiete, die sich unserem Einfluss weitgehend entziehen - trotz des erbitterten Einsatzes hochentwickelter Technik. Wir sind dem Wetter ausgeliefert und fühlen uns schutzlos, wie in diesen Tagen, an denen immenser Schaden angerichtet wird, Menschen zu Schaden und gar zu Tode kommen. Unsere Ohnmacht macht uns fassungslos und oft genug ratlos. Weil unser Leben aufs Funktionieren eingestellt und ausgelegt ist - was denn sonst? Dieses Funktionieren aber übertragen wir auch auf unsere Welt. Sie hat dann Regeln zu folgen - unseren Regeln wohlgemerkt -, so dass jedes Misslingen wie ein Regelverstoß erscheint. Instinktiv reagieren wir darauf mit einer Abwehrhaltung. Denn was sich unserem Verständnis entzieht, schieben wir weit von uns. Das Ereignis wird dämonisiert. Wie schnell ist dann von Weltuntergang die Rede, von sintflutartigen Regenfällen. Eine nicht greifbare, übernatürliche Instanz wird zur Verantwortung gezogen und muss für den überfluteten Keller herhalten. Doch die Unwetter dieser Tage sind kein Gottesgericht, sind kein unbarmherzig erscheinendes Urteil, das über die Menschheit (und in diesen Tagen über die Rheinländer) gefällt wird. Denn dass Wetterextreme zunehmen - in ihrer Häufigkeit wie auch in ihrer Heftigkeit -, ist ja kein Orakel, sondern die hinlänglich kolportierte Erkenntnis von Klimaforschern. Das heißt: Wir selbst und unsere Art zu leben sind für den Klimawandel und höchstwahrscheinlich auch für unheilvolle Wetterlagen mitverantwortlich. Doch mit den ersten Sonnenstrahlen sind solche Einsichten meist schon wieder verflogen. Das Leben geht weiter und mit ihm eine Zeit nach unseren gewohnten Regeln und Vorstellungen. Was bleibt, ist vielleicht das Foto vom eigenen Auto, das im plötzlichen Hochwasser steckenblieb und unserer Mobilität kurzzeitig ein Ende setzte.

Das Foto ist aber mehr als nur ein Schnappschuss. Man kann es auch als Sinnbild betrachten.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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