Gott Und Die Welt Der neue Trend unserer Zeit – das Reparieren

Die Menschen haben das handwerkliche Heilemachen wieder entdeckt. Sagen jedenfalls Trendforscher. Doch scheinen unsere Möglichkeiten beschränkt zu sein.

Irgendwie war die Zeit an diesem Morgen schneller als ich. Und wer schon zu Tagesbeginn ins chronometrische Hintertreffen gerät, greift für den Weg zum Lieblingsbäcker zum Äußersten – zum Fahrrad also. Doch was soll ich sagen: Platten! Und ausgerechnet hinten. Da muss es im Keller magisch zugegangen sein, denn wer ist tatsächlich so derangiert, dass er ein defektes Rad einfach abstellt? (Eine Frage, auf die es freilich unterschiedliche Antworten gibt.)

Nun gut, die Stunde der Reparatur hatte geschlagen, und wenn ich mich recht erinnere, soll das sogar im Trend der Zeit liegen. Eine neue Lust am handwerklichen Heilemachen wird derzeit propagiert; und dass angeblich sogenannte "Repair Cafés" westeuropaweit nur so aus dem Boden schießen, hilft im heimischen Keller eigentlich nicht. Ohnehin ist das mal wieder leichter gesagt als getan: kurzerhand einen Trend zu verkünden. Zumal die Gefahr eines Widerspruchs gering sein dürfte. Denn wer möchte schon dastehen als armer Tropf, der irgendeinen Trend verpennt hat? Also halten wir lieber kollektiv die Klappe und tun allesamt trendig. Allerdings vermute ich, dass sich die neue Liebe zur Reparatur aufs Rudimentäre beschränkt. Wie sollte das auch anders sein in Zeiten, in denen beim Automobil allein schon für die Entleerung des Aschenbechers ein abgeschlossenes Ingenieurstudium (mit Auszeichnung) nötig ist. Früher wurden die Fahrzeuge mit etwas Todesmut noch eigenhändig fit gemacht. Und die Bibel dafür war die Taschenbuchreihe "Jetzt helfe ich mir selber". Unvergessen der Tipp zur Auspuff-Reparatur beim Fiat 500: Man nehme einen kleinen Haufen Stroh und kippe das Fahrzeug einfach auf die Seite. Nicht viel komplizierter wurden auch größere Eingriffe an der Bremsanlage und den Zylindern erklärt. Die technischen Ergebnisse fielen zwar unterschiedlich aus; atmosphärisch aber endete ein solches Handwerkeln immer mit einer neuen Liebe zum Gefährt; es schien mit ölverschmierten Händen eine nachträgliche Aneignung zu sein. Doch jetzt ging es bloß um den saublöden Schlauch, um ein mickriges Loch vielleicht. Nahte vielleicht Gottes Hilfe? Aber selbstverständlich. Denn am Himmel schienen in der Ferne düstere Regenwolken aufzuziehen.

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(RP)
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