Gott Und Die Welt Darf man für den Sieg seiner Mannschaft beten?

Beten ist der stille Dialog mit Gott. Darf man diesen nutzen, um ein Fußballspiel in die gewünschte Richtung zu lenken? Fast die Hälfte aller Deutschen sagt: Ja.

Manchmal ähneln die Spiele bei der Weltmeisterschaft kleinen Gottesdiensten. Wenn der Ball wie eine Monstranz aufs Feld getragen wird, die Hymnen der Länder wie Lobgesänge erklingen, das Schiedsrichter-Gespann die Rolle der Zelebranten übernimmt und die Ersatzbank wie ein modernes Chorgestühl erscheint. Das sind geneigte Assoziationen, die einen ereilen können oder kaltlassen. Fürs konkret Christliche aber sorgen zweifelsohne die Spieler - vor allem jene aus Südamerika, die sich beim Betreten und Verlassen des Spielfeldes bekreuzigen, als sei die Sportstätte ein heiliger Bezirk.

Nicht zu unterschätzen sind auch die Fans, die in prekären Situationen gerne eine Gebetssituation herstellen oder diese für einen Augenblick simulieren, um das Spielgeschehen mit Gottes Hilfe in die gewünschte Richtung zu lenken. Fußball ist dabei keine Ersatzreligion im Sinne von: Gott ist rund. Vielmehr wird die Religion ins Spiel integriert mit Gott als zwölftem Mann auf dem Platz. Bleibt somit die Frage, ob das Beten für eine fußballerische Einflussnahme überhaupt herhalten darf. Fast die Hälfte der Deutschen findet das völlig in Ordnung, wie eine WM-begleitende Umfrage der evangelischen Kirche ergab. Man könne für alles beten, was man sich von Herzen wünscht, sagen die Befürworter. 28 Prozent der Befragten halten Gebete generell für sinnlos und stehen dementsprechend solchen spirituellen Manipulierungsversuchen recht gelassen gegenüber.

Nun ist Beten eine persönliche Angelegenheit, ein stiller Dialog mit Gott. Und das, was dort betend vorgetragen wird - an Wünschen und Bitten, Klagen und Hoffnungen -, ist vielleicht so zahlreich wie die Schar der Betenden selbst. Wir dürfen unser Leid klagen, wir können um Hilfe bitten, natürlich auch um Vergebung, für uns wie für andere. Aber darf man Gott und Gottes Hilfe dienstbar machen für ein Fußballspiel, das den Betenden in keine größere Notsituation bringt? Und darf man Gott überhaupt dazu ermuntern, Partei zu ergreifen?

Wer auch beim Fußball geistigen Beistand erhofft und an eine höhere Hilfe glaubt, verändert zugleich das Wesen des Spiels. Denn dann muss der Ausgang etwas mit Gerechtigkeit zu tun haben. Der Sieg als Lohn und die Niederlage als Strafe. Gott jedoch, so hat es Dietrich Bonhoeffer formuliert, erfüllt nicht alle unsere Wünsche, aber alle seine Verheißungen.

Man kann das Beten in der emotional aufgeladenen Situation eines Fußballspiels auch als eine Entspannungsübung begreifen. Das kann Beten wirklich sein, wie Neurowissenschaftler gemessen haben. Und das hat dann eine ähnliche Wirkung wie das Laufen.

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(RP)
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