Kolumne: Gott Und Die Welt An der Schwelle einer neuen Epoche

Es spricht manches dafür, dass mit den Flüchtlingsströmen ein Zeitalter beginnt, das nicht mit ein paar Hilfsmaßnahmen zu beenden ist. Darauf müssen wir uns einstellen - auch mit Barmherzigkeit.

Der Papst hatte es vielen vorgemacht: als er - unkonventionell, scheinbar spontan und der Stimme seines Herzens folgend - die Insel Lampedusa aufsuchte, das Elend der dort ankommenden Flüchtlinge sah, mit den Gestrandeten betete und weltweit Solidarität mit dem Schicksal dieser Menschen einforderte. Das ist jetzt schon über zwei Jahre her; und die Situation der Flüchtlinge im Mittelmeerraum hat sich seither verschlechtert. Weit über 20 000 Menschen sind bei dem Versuch, Europa zu erreichen, mittlerweile ertrunken - während sich die Länder der sogenannten Europäischen Union die Köpfe heißreden über Aufnahmekontingente und Unterbringungsmöglichkeiten.

Die Lampedusa-Reise von Papst Franziskus ist seinerzeit stark beachtet worden; zustimmend und wohlwollend zumeist, gelegentlich aber auch mit dem Hinweis versehen, dies sei allenfalls eine gut gemeinte Symbolhandlung gewesen. Was auch sonst? Und sollte man vor der wie immer mühelosen Diskreditierung nicht auch das Symbol des Handelns und seine Tauglichkeit für den Alltag befragen? Die vielen privaten und institutionellen Initiativen, die es mittlerweile für die Flüchtlinge gibt, sind immens hilfreich; die Not werden sie auf Dauer nicht abschaffen können. Weil es humanitäre Hilfen sind, wie sie von uns auch Erdbeben- und Flutopfern sowie allen anderen Menschen in großer Not zukommen. Solche Katastrophenfälle sind mit den Flüchtlingsdramen aber nicht vergleichbar. Wahrscheinlich müssen wir uns darauf einstellen, eine Epoche der Migration zu meistern, deren Ursachen zum Teil auch dem Energie- und Rohstoffhunger der westlichen Industriestaaten geschuldet sind. So wird sich das globale Problem der Flüchtlinge weder auf ein paar Monate beschränken lassen noch werden ein paar Hilfs- und Notfallmaßnahmen ausreichen. Die Migration wird unser Leben und unsere Gesellschaft nachhaltig verändern.

Und darauf werden wir uns - abseits aller vielleicht naiven oder populären Betroffenheitshandlungen - konkret einstellen müssen. Für Papst Franziskus steht im Zentrum des Evangeliums die Barmherzigkeit. Sie sei ein Tragebalken der Kirche, sagt er. Doch sie ist vor allem praktisches und kommunikatives Handeln. Weil es immer den geben muss, der Barmherzigkeit spendet, und den, der Barmerzigkeit empfangen will. Menschen können nie nur Objekte von Barmherzigkeit sein. Erst so entsteht der Sinn eines gerechten Handelns, das nicht immer einfach und längst nicht bequem ist. Die Migration wird uns in den kommenden Jahren nicht nur begleiten, sie wird ein Teil von uns werden.

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(RP)
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