Kolumne: Gott Und Die Welt Alles stehen und liegen lassen - für ein Kind

Köln · Weihnachten zeigt uns: Die Wirkung dieses Kindes in der Krippe ist buchstäblich entwaffnend. Das ist besonders wichtig in Zeiten von Krieg, Terror, Populismus und Hass im Internet.

 Rainer Maria Kardinal Woelki.

Rainer Maria Kardinal Woelki.

Foto: Woelki

Ein Kind verändert alles. So höre ich es oft von Eltern. Ein Kind macht aus einem Paar eine Familie, es ändert den Lebensrhythmus. Damit meine ich nicht nur den Schlafmangel oder die Sorge um das Kind, wenn es einmal krank ist. Ein Kind berührt uns im Innersten. Eltern lassen für ihr Kind im wahrsten Sinne des Wortes alles stehen und liegen.

Sie können gar nicht anders, als ihm ihre ganze Zuneigung und Liebe zu schenken. Sie vergessen oft alles um sich und lächeln, sobald sie ihr Kind anschauen. Bei allem, was Eltern mit einem Neugeborenen erleben, schwingt dieses Gefühl mit: Du bist ein Wunder. Was für ein Glück, dass du auf der Welt bist!

Wenn wir Christen Weihnachten feiern, dann feiern wir die Geburt eines Kindes, über das wir uns durch alle Zeiten hindurch besonders freuen: Jesus Christus. Als kleines wehrloses Bündel liegt er in einer Futterkrippe. Wir Christen glauben, dass Gott als Kind zu uns kommt, um der Welt ihr göttliches Gesicht zu zeigen: Menschlichkeit. Wie jedes andere Kind war auch Jesus nach seiner Geburt angewiesen auf die Zuwendung und Liebe seiner Eltern. Diese Liebe ist die Kraft Gottes in uns Menschen.

Wir hatten in diesem Jahr häufig das Gefühl, die Welt sei aus den Fugen geraten: der nicht enden wollende Krieg in Syrien, die Terroranschläge in Europa, das Elend vieler Flüchtlinge und der Aufstieg rechtspopulistischer Protestbewegungen, Aufrufe zu Hass und Gewalt in den sozialen Netzwerken. Die Menschlichkeit, so hat es manchmal den Anschein, steht am Abgrund.

Weihnachten sagt uns dann, dass wir nicht aufgeben dürfen und nicht aufhören sollen, uns für eine friedvollere Welt einzusetzen. Denn die Wirkung dieses Kindes in der Krippe ist buchstäblich entwaffnend. Es weckt in uns den Impuls, Nähe, Zuwendung, bedingungslose Liebe und Zeit füreinander zuzulassen und alles stehen und liegen zu lassen, was uns davon abhält. Wo das geschieht, wird das Wunder der Weihnacht real - mitten in unserem Leben und auf dieser Welt.

Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki schreibt hier an jedem dritten Samstag im Monat. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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