Kolumne Warum alle ständig genervt sind

Düsseldorf · Im Alltag begegnet man immer öfter genervten Menschen. Sie beschweren sich, maulen herum, herrschen andere an. Oft hat das mit innerem Druck zu tun. Genervtheit ist Ausdruck von Überforderung - und kann zur Gewohnheit werden.

 Kolumnistin Dorothee Krings

Kolumnistin Dorothee Krings

Foto: Krings

Es ist so verführerisch, sich einfach hineingleiten zu lassen in dieses unleidliche Gefühl des Genervtseins. Dann bringt einen alles auf. Dann fährt das Auto vor einem nicht schnell genug; der Kellner im Lieblingscafé hat wieder gar keinen Blick für seine Gäste und daheim wollen sowieso zu viele Menschen gleichzeitig Aufmerksamkeit. Schrecklich, verschwindet, lasst mich in Ruhe!

Genervtheit ist wie ein Filter, der sich vor die Wirklichkeit schiebt. Alles hat dann die falsche Tönung, alles das Potenzial, den Genervten aufbrausen zu lassen. Und natürlich spürt er, dass da zu viel Druck in seinem Inneren ist, dass ein wenig Gelassenheit ihm helfen würde, der Welt freundlicher zu begegnen. Und die Welt damit eine Chance bekäme, ebenfalls freundlich zu sein.

Aber solche Einsichten erreichen den Genervten nicht. Hat er sich erst mal in diese hochexplosive Stimmung des Überdrusses geschraubt, verschafft meist nur Meckern, Beschweren, Von-sich-weisen Erleichterung. Das ist wie Schmutz im Inneren, der heraus muss. Erfreuen kann das niemanden.

Das Gefühl des Genervtseins kann aus Überforderung entstehen. Aus dem Empfinden, dass man inneren wie äußeren Ansprüchen nicht gerecht wird. Dann geht alles nicht schnell genug, wirkt alles unnötig schwierig. Und schuld sind die anderen, die einen aufhalten, die ihr Handwerk nicht richtig verstehen und denen zuzusehen wütend macht. Egal, was sie tun.

Es muss mit der allgemeinen Beschleunigung, der Zunahme an Zerstreuungsmöglichkeiten zu tun haben, dass Genervtheit zunimmt. Ihr Pegel misst den Grad an Überforderung. Man begegnet dem Genervtsein überall im Alltag, in Geschäften, Lokalen, Schulen, im Straßenverkehr. Auch manches von dem, was man pauschal Hasskommunikation im Internet nennt, hat diesen Ton von Genervtheit angenommen, der überheblich ist. Und nach Überdruss klingt. Und nach verdrängter Wut.

Genervtheit kann zur schlechten Angewohnheit werden. Manche Menschen kommen gar nicht mehr heraus aus dem Gefühl, einerseits überfordert, andererseits von lauter Idioten umgeben zu sein. Es wird diesen Menschen viel Negatives gespiegelt werden, und so verstärkt sich die Wut auf alles und jeden immer weiter. Doch man kann tief durchatmen. Kann sich seiner Ungeduld, seiner Überheblichkeit und seiner Fixierung auf das eigene Ego bewusstwerden. Wer sich eingesteht, nicht alles perfekt zu machen, ist meist auch gnädiger mit den anderen. Schwächen machen stark.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

(dok)
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