Gesellschaftskunde Sehnsucht nach Objektivität

Düsseldorf · Leistungskontrollen sollen Qualität prüfen - und sichern. Das gelingt nur bedingt.

Gesellschaftskunde: Sehnsucht nach Objektivität
Foto: Krings

Nun müssen wieder viele junge Leute in Klausur und sollen dort beweisen, was sie in ihrem Schülerleben gelernt haben: Die Zeit der Abiturprüfungen hat begonnen, die zentralen Tests für die mittleren Abschlüsse folgen bald. Nervenaufreibende Tage für alle Beteiligten.

Natürlich ist an dem System manches fraglich: Die Mühen vieler Jahre schnurren weitgehend auf die Ergebnisse von ein paar Klausuren zusammen. Für manche ist das eine Chance. Sie bereiten sich clever vor, bewahren die Nerven, rufen ihre Leistung ab, wie man im Sport sagt. Andere leiden unter Lampenfieber oder haben schlicht Pech mit dem Prüfungsthema. Und so sind Noten natürlich nicht so objektiv, wie ihr mathematische Gestalt suggeriert - doch zwingen sie dazu, sich einem Leistungsvergleich zu stellen, mit allen Stressfaktoren, die dazu gehören.

Allerdings scheint es ein wachsendes Bedürfnis nach derlei Objektivierungen zu geben. In vielen Bereichen, in denen Leistung früher subjektiv wahrgenommen wurde, wird heute evaluiert. Das reicht vom Fragebogen im Hotelzimmer, in dem Gäste ankreuzen sollen, wie sauber das Bad, wie freundlich das Personal war, und endet bei endlosen Evaluierungsprozessen etwa an Universitäten, mit denen die Qualität der Lehre bemessen werden soll. Bewerten kann zum Selbstzweck werden, bis am Ende nicht mehr gearbeitet wird, um optimale Ergebnisse zu erzielen, sondern optimale Bewertungsergebnisse.

In einer Gesellschaft, die auf Konkurrenz setzt, scheint es nur logisch, in immer mehr Lebensbereichen Bewertungssysteme einzuführen. Das verheißt Objektivität, Gerechtigkeit - Kontrolle. Als trüge Evaluierung allein schon dazu bei, Standards zu sichern. Dabei hat Qualität meist mehr mit dem Klima in Betrieben zu tun, mit der Bereitschaft, es gut machen zu wollen, und lässt sich nicht herbeibewerten.

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(dok)
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