Kolumne: Gesellschaftskunde Raumfahrt muss nicht effizient sein

Gebannt verfolgt die Welt, wie Astronauten aus dem All heimkehren oder Labore zu Kometen reisen. Ob sich die Ausgaben für solche Missionen lohnen, wissen wir nicht. Trotzdem sollte der Mensch seinem Wissensdrang folgen.

Astronaut Alexander Gerst rauscht nach Monaten im All zurück in die Sphäre der Bodenhaftung und verkündet, dass es sehr gut rieche bei uns auf der Erde; dass er das Wort "Heimatplanet" jetzt erst richtig verstehe. Und wir Erdlinge halten inne, sind einen Moment gerührt, weil da ein hochspezialisierter Wissenschaftler plötzlich über das große Ganze spricht, in einfachen Worten formuliert, was er im All auch gelernt hat, neben allen naturwissenschaftlichen Erkenntnissen: wie schön es ist, Mensch zu sein und auf dem blauen Planeten zu leben.

Was Gerst im All genau gemacht hat, verstehen die Wenigsten. Er hat einen Schmelzofen in die Raumstation eingebaut, in dem neue Metalllegierungen getestet werden. Außerdem hat er mit Feuer experimentiert. In welchem Verhältnis der Nutzwert solcher Forschung zu den Kosten der Raumfahrt steht, können allenfalls Experten ermessen.

Wir wissen auch nicht, wie nützlich der mehr als zehn Jahre währende Flug eines kühlschrankgroßen Labors zu Komet "67P/Tschurjumow-Gerassimenko"ist, den wir seit Tagen gebannt verfolgen. Denn es geht bei all dem nicht in erster Linie um das Nutzenkalkül, sondern um den Drang des Menschen, über sich hinauszuwachsen, die eigene Sphäre zu verlassen und ein wenig mehr davon zu verstehen, wer er eigentlich ist.

Wissensdrang lässt den Menschen Raumschiffe bauen, Kometen entdecken, Risiken eingehen. Neugier lässt ihn Unternehmungen beginnen, deren Ausgang ungewiss ist, dessen Einsatz somit nicht den Gesetzen der Effizienz gehorcht. Und das ist gut so. Denn über sich hinauswachsen, Neues entdecken, sein Dasein transzendieren kann der Mensch nur, wenn er das enge Kosten-Nutzen-Kalkül, dem auf Erden inzwischen fast alles untergeordnet wird, hinter sich lässt. Das heißt nicht, dass jede Ausgabe erlaubt sein sollte, wenn sie nur von Astronauten getätigt wird. Natürlich kann man etwa Bedenken haben, wenn ein Land wie Indien, in dem Millionen Menschen hungern, ein eigenes Raumfahrtprogramm startet.

Doch es geht bei diesen Expeditionen auch um die Teilhabe an Projekten, die dem Menschen Zukunft verheißen. Im Zeitalter des Massentourismus sind Astronauten die Letzten, die noch unbekanntes Terrain erobern, die den Daheimgebliebenen Neues erzählen können. Und wenn es die schlichte Botschaft ist, dass wir auf einem duftenden Planeten leben, den wir bewahren sollten.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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