Kolumne: Gesellschaftskunde Die Helm-Inszenierung des Giannis Varoufakis

Wenn die Lage unübersichtlich wird, steigt die Bedeutung von Bildern. Das hat Griechenlands Finanzminister genutzt und sich als dunkler Ritter präsentiert. Bis zu seinem Abgang.

Nun ist er also verschwunden, der schwarze Ritter, der die Europäer die Verwirrung lehrte und die Griechen in jene Schicksals-Abstimmung führte, deren Folgen schwer absehbar sind. Er hat sich ein letztes Mal vor Kameras den Motorrad-Helm mit dem Plastik-Visier aufgesetzt - diese moderne Rüstung, die Rasanz, Risikofreude und Potenz signalisiert -, und dann ist Giannis Varoufakis auf seiner schweren Yamaha aus dem Blickfeld gebraust. Vorerst.

Mit dem Rücktritt des griechischen Finanzministers ist ein Akteur von der politischen Bühne verschwunden, der mit Unverfrorenheit die Macht der Bilder genutzt und das Image des Outlaw bedient hat. Varoufakis, der selbstbewusste Linke und politische Draufgänger, war das Gegenteil der Bürokraten aus Brüssel und verweigerte ihnen jede Demutsgeste. Er hat auf Machismo gesetzt, darum fuhr Varoufakis ständig auf dem Motorrad vor, setzte zu Interviews nicht mal den Helm ab. Gezielt hat er gegen die Etikette der Biederkeit verstoßen, hat sich als den aggressiven Taktiker inszeniert, dessen Waffe die Unberechenbarkeit ist. Und obwohl nun schon so viel über die Macht der Bilder in der Mediendemokratie nachgedacht worden ist, hat das seine Wirkung nicht verfehlt.

Denn immer, wenn Probleme unübersichtlich werden, gewinnen Bilder an Bedeutung. Darum hat Varoufakis sich als modernen Ritter inszeniert, der sich eben nicht wie die anderen aus der bequemen Limousine schälen musste, sondern vom PS-starken Ross herabstieg. Der Finanzminister auf der heißen Maschine war ein Bild gegen die Ohnmacht eines in die Enge getriebenen Volkes.

Natürlich wissen auch deutsche Politiker ihre Vorlieben für verwegene Hobbys zu inszenieren. Auch ein SPD-Politiker wie Peter Struck ließ sich gelegentlich in Motorradkluft filmen; Heiner Geißler (CDU) spricht gern über das Fallschirmspringen. Doch nie hat jemand so aggressiv seine Männlichkeit inszeniert, um die Braven, die Langweiligen, die Sparsamen zu düpieren - und hat seine Ziele doch erreicht. Der Ideologe in Lederkluft hat seine Auftritte maximal emotional aufgeladen. Und egal, wie es für die Griechen und für den Rest Europas ausgehen wird: Varoufakis wird sich für den Sieger halten.

Nun geht es optisch wieder gemäßigter zu. Der Finanzminister mit dem Helm hat für seinen Abgang den optimalen Zeitpunkt gewählt: Man wird ihn mit dem Referendum verbinden, nicht mit den Härten, die darauf folgten. Und Varoufakis wird zurückkommen auf die öffentliche Bühne. Im Januar erscheint sein neues Buch. Über das Leid der Schwachen.

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(RP)
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