Kolumne Frauensache Weniger Mütter? Da hat auch Alice Schwarzer Schuld

Berlin · Der Schwarz-Weiß-Feminismus hat ganze Generationen verunsichert. Deshalb ist er keine Debatte von gestern, sondern aktuelles Problem.

Die Frauen in Deutschland wollen nicht gebären, vor allem die im Westen und die mit hohem Bildungsniveau nicht: 30 Prozent der Akademikerinnen zwischen 45 und 49 Jahren sind kinderlos. Diese Zahlen sind Ernte dessen, was der Schwarz-Weiß-Feminismus und seine Großmeisterin Alice Schwarzer gesät haben. Schwarzer hat die Mutterschaft "eine Fessel der Frau" genannt, die sie dazu verurteilt, ihr Leben lang für andere zu kochen, zu putzen, zu waschen und zu trösten. Dieser Feminismus definiert Mütterlichkeit als "Gratisarbeit für Männer, für Kinder, ja für die ganze Gesellschaft. Wer sich nicht ausbeuten lassen will, sollte verzichten", wie die Historikerin Miriam Gebhardt in ihrem großartigen Buch "Alice im Niemandsland" schreibt.

Pah, das sind doch Debatten von gestern, mögen jetzt die selbstbewussten Frauen von heute sagen. Schließlich leben wir im Zeitalter von Elterngeld, Vätermonaten und Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist längst gesellschaftlicher Konsens. Ein Konsens aber, der ein "Nur Muttersein" immer weniger zulässt. "Macchiato"-Mütter nennt die Zeitschrift Emma abfällig solche Frauen, die lieber auf dem Spielplatz säßen, als Karriere zu machen.

Eine kleine Alice Schwarzer steckt aber auch in jedem, der das Betreuungsgeld als Herdprämie verunglimpft, mit der Frauen zurück in die Küche gezwungen werden sollen. Der eigentliche Zwang in einer solchen Argumentation ist, dass sie Frauen ein Lebensmodell vorschreibt: Aus dem "Ihr könnt beides haben"-Versprechen, dass einst mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf gemeint war, ist ein "Ihr müsst beides machen"-Druck geworden. Denn auch Frauen, die eine berufliche Karriere vorzuweisen haben, gelten nur dann als ganze Frau, wenn sie auch Mutter sind. Wohin das führt zeigt ein Trend aus den USA: Social Freezing heißt die Methode, mit der Frauen ihre Eizellen einfrieren lassen und so ihre Fruchtbarkeit konservieren. Die verwahrten Eizellen ermöglichen ihnen, unabhängig von ihrer biologischen Uhr Karriere zu machen und das Kinderkriegen zu verschieben. Eine Befreiung für die Frauen sei das, ähnlich revolutionär wie die Einführung der Pille, heißt es. Ehrlich gesagt verstehe ich unter Freiheit etwas anderes als einen Kinderwunsch auf Eis zu legen, bis es passt. Eine solche Roboterfrau, die möchte ich nicht sein müssen.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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