Frauensache "Ist es heute leichter, Feministin oder Frau zu sein?"

Frauen von heute haben dank der Kämpfe ihrer Mütter alle Möglichkeiten: Studium, Beruf, Liebe, Familie. Doch damit verbunden ist auch die Erwartung, dass all diese Möglichkeiten auch genutzt werden sollen.

Ein Kollege aus Hamburg, den ich nicht nur wegen seines Verstandes schätze, hat via Twitter folgende Frage gestellt: "Ist es heute in Deutschland eigentlich leichter, Feministin zu sein oder Mann?" Wenn ich zum Beispiel an die "Aufschrei"-Aktion gegen einen angeblich allgegenwertigen Sexismus in unserem Land denke, dann finde ich es ziemlich leicht, Feministin, und ziemlich schwer, Mann zu sein. Daher eine Gegenfrage: "Ist es heute in Deutschland leichter, eine Feministin oder eine Frau zu sein?"

Den Kämpfen unserer Mütter haben wir es zu verdanken, dass Frauen heute alle Möglichkeiten haben: Studium, Beruf, Liebe, Familie. Damit verbunden ist allerdings die Erwartung, dass sie bitte schön alle Möglichkeiten auch nutzen. Zu welch fatalem Frauenbild das führt, hat jetzt die ARD-Dokumentation "Frauen, bewegt euch" gezeigt. Frauen studieren das Falsche; sie kämpfen zu wenig um ihre Karriere; wenn es ihnen zu schwierig wird, werden sie schwanger; anstatt ihre Kinder nach wenigen Wochen in eine Kita zu geben, bleiben sie Jahre zu Hause – so die Botschaften des Films. Eine gute Frau ist also nur die, die Kind und Karriere kann.

Junge Studentinnen, die über ihre Lebensplanung sagen, sie würden für ein Kind länger beruflich pausieren, und Frauen, die trotz erfolgversprechender beruflicher Perspektive nach der Geburt ihres Kindes sich für das Vollzeitmutter-Dasein entschieden haben, werden mit einer Mischung aus Vorwurf und Mitleid begleitet. Statements der Ehemänner ("In meinem Beruf kann ich nicht pausieren") sollen suggerieren, diese Frauen führten keine Beziehung auf Augenhöhe. Die Möglichkeit, dass es ihre selbstbestimmte Entscheidung war, ein Kind über die Karriere zu stellen, wird gar nicht zugelassen.

Heldinnen der Dokumentation sind Frauen wie Regine Stachelhaus, Vorstandsmitglied bei Eon. Sie hat Karriere wie ein ganzer Kerl gemacht, während ihr Mann die Kinder großzog. Seltsam: Wenn die Frau den Kinderpart übernimmt, ist die Partnerschaft nicht auf Augenhöhe. Wenn es aber der Mann tut, dann ist eine Beziehung ausgewogen. Das als Gleichberechtigung zu propagieren ist wie einen "Veggie Day" für fleischfressende Pflanzen einzuführen. Wenn Emanzipation als Zwang zum Sowohl-als-auch pervertiert, wenn Kinderkriegen als Flucht aus dem Job gilt, wenn Muttersein zu einer Managementaufgabe verkommt und Kindererziehung nur noch in Kombination mit einer beruflichen Karriere Anerkennung findet, wird es verdammt schwer werden. Für Frauen – und für Männer.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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