Kolumne Frauensache Herrn Sauers Lust auf Streusel

Berlin · Im Wahlkampf öffnet die Kanzlerin den Vorratsschrank und zeigt die Zuckertöpfe. Für den Sieg ist das aber gar nicht entscheidend – das Volk ist ihr ohnehin treu ergeben.

Im Wahlkampf öffnet die Kanzlerin den Vorratsschrank und zeigt die Zuckertöpfe. Für den Sieg ist das aber gar nicht entscheidend — das Volk ist ihr ohnehin treu ergeben.

In 41 Tagen ist Bundestagswahl; die heiße Phase des Wahlkampfs hat begonnen. Das sagen zumindest die Parteien. Bisher aber ist nur das Wetter heiß, das Buhlen um den Wähler erreicht gerade mal die Temperatur von einem Sarrazin (Maßeinheit benannt nach Thilo Sarrazin, SPD, der Hartz-IV-Empfängern dicke Pullover statt teurem Heizen empfahl).

Dass keine Wahlkampfspannung aufkommen will, hat mit Angela Merkels Streuselkuchen und Peer Steinbrücks Schnitzel zu tun. In einer CDU-Werbebroschüre ist über Merkels Können am Herd zu lesen: "Am liebsten koche ich Rouladen und Kartoffelsuppe." Ihr Mann Joachim Sauer beschwere sich selten über das Essen. Nur auf dem Kuchen, da seien ihm zu wenig Streusel. Dem Wähler geht es da nicht anders als Herrn Sauer: Im Prinzip ist er zufrieden mit dem, was Merkel ihm auftischt. Trotz EU-Finanzkrise brummt die deutsche Wirtschaft, trotz Milliardenbürgschaften für marode Staaten sinkt die Neuverschuldung des Bundes, trotz "Prism" vertrauen die Deutschen ihrer Regierungschefin. Allerdings haben sie wie Herr Sauer nichts gegen ein bisschen mehr Streusel.

Und so hat die Kanzlerin im Wahlkampf den Vorratsschrank geöffnet und zeigt dem Volk ihre Zuckertöpfe: Mindestlohn, Mütterrente, Erhöhung des steuerfreien Grundbetrags für Kinder — theoretisch wären mehr Streusel drin. In der Praxis aber ist das für den Wahlsieg gar nicht entscheidend. So wie Joachim Sauer trotz unerfüllter Streusellust seit 15 Ehejahren Angela Merkel die Treue hält, ist auch ein Großteil der Wähler ihr treu ergeben. Solange Rouladen und Kartoffelsuppe schmecken, ist der Kuchenbelag egal. Hauptsache, es gibt überhaupt noch Kuchen!

Und genau das ist Steinbrücks Problem: Er verspricht zwar mehr Streusel, doch will er durch Steuererhöhungen die Rouladenportion kleiner und die Suppe wässriger machen. Sich selbst allerdings lässt er gerne ein saftiges Schnitzel schmecken — zuletzt gemeinsam mit "Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann. Prinzipiell kann Steinbrück ja essen, was und mit wem er will, doch dieses Schnitzel war ein Affront gegen seinen einzigen Bündnispartner, die Grünen. Ausgerechnet an dem Tag, an dem die "Bild" Front gegen grüne Pläne für einen fleischlosen Tag machte, speiste Steinbrück mit Diekmann: "Veggie Day ist genau der richtige Zeitpunkt für einen satten Schnitzel-Abend mit Peer Steinbrück", twitterte der, samt Foto mit dem lächelnden Kanzlerkandidaten. "SPD ist Currywurst" — das war einmal. Jetzt gilt: "Steinbrück isst Schnitzel."

(RP)
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