Kolumne Frauensache Die Feministinnen verschlafen den Wahlkampf

Berlin · Wo sind all die Feministinnen hin, die noch Anfang des Jahres wegen eines Herrenwitzes kollektiv aufgeschrien haben? Das öffentliche Gesicht der weiblichen Emanzipation sieht alt aus – und daran sind die jungen Feministinnen selbst schuld.

Selten ist ein solches Spektakel um eine Fernsehsendung gemacht worden wie um das Duell – oder wie man im Nachhinein sagen kann den Plausch – zwischen Angela Merkel und Peer Steinbrück. Vorberichte, Countdown, Analysen, der Talk danach samt wissenschaftlich erfassten Gefühlskurven von Erstwählern.

Meine Gefühlskurve ist in dem ganzen Brimborium nur einmal nach oben gegangen: Als in der Talkrunde bei Günter Jauch zwischen mittelalten und alten Herren ausgerechnet Alice Schwarzer als Quotenfrau beziehungsweise Quotengästin saß.

Es ist wirklich schlecht um den deutschen Feminismus bestellt, wenn die Vorkämpferin von gestern noch immer für die Interessen der Frau von heute herhalten muss. Auch wenn einige es immer noch nicht mitbekommen haben, es ist Wahlkampf in Deutschland. Das ist die Zeit, in der Parteien, allein schon aus Selbstinteresse, auf Tuchfühlung mit dem Volk gehen, um zu ergründen, was den Wähler und die Wählerin bewegt, was sie fürchten und was sie erhoffen.

Aus Frauensicht gäbe es eine Menge Themen für die zu kämpfen lohnt, damit sie in diesen Wahlkampfwochen nicht nur politisches Gehör finden, sondern danach auch politisches Programm werden: Kinderbetreuung, Frauenquote oder angemessene Rentenbeiträge während der Erziehungszeit. Jetzt wäre die Chance eine Debatte anzuzetteln, warum die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nach wie vor als Frauenproblem gesehen wird und nicht als gesamtgesellschaftliche, geschlechtsneutrale Herausforderung.

Doch wo sind all die Feministinnen hin, die noch Anfang des Jahres wegen eines Herrenwitzes kollektiv aufgeschrien haben? Nun, man findet sie zum Beispiel in Berlin auf einer Demonstration gegen Sexismus in der Werbung. Dort halten eigentlich intelligente junge Frauen Reden darüber, dass in Werbespots meist Männer am Steuer sitzen, und wenn mal in einer Putzmittelwerbung ein Mann auftauche, dann als Experte, der zeige, wie es richtig gehe. Frauen hingegen würden als Gegenstände inszeniert ("Bierflaschen, Musikinstrumente, Bratwurst") und das sei Sexismus.

Hä? Pardon, wie bitte? In wenigen Tagen wird darüber entschieden wie dieses Land in den kommenden vier Jahren regiert wird – und der Feminismus bekämpft Meister Propper und das "Bier, das so gekribbelt hat in meine Bauchnabel letzte Nacht"? Liebe Alice Schwarzer, mögen Sie uns lange erhalten bleiben. Darauf einen Dujardin!

(RP)
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