Christentum und Islam in der Corona-Krise Glocken gegen Muezzin

Christen müssen aufpassen, sich nicht selbst kleinzu­reden – auch und gerade in der Corona-Krise. Beispiel dafür ist die Diskussion, ob die Muslime im Ramadan lautsprecherverstärkt zum Gebet rufen dürfen. Jüngste Äußerungen aus der CDU dazu waren nicht hilfreich.

 Die Moschee der bosnischen Gemeinde in Kamp-Lintfort. Hier durfte zum Beginn des Ramadan ausnahmsweise der öffentliche Muezzin-Ruf erklingen.

Die Moschee der bosnischen Gemeinde in Kamp-Lintfort. Hier durfte zum Beginn des Ramadan ausnahmsweise der öffentliche Muezzin-Ruf erklingen.

Foto: Christoph Reichwein (crei)

Die Corona-Krise hat Weiterungen, auf die nicht jeder spontan gekommen wäre. Eine irritierend-interessante Facette kam jüngst dazu: Glockenläuten versus Muezzin-Rufe. Aus der rheinischen CDU war zum corona-erschwerten Ramadan zu hören, man verstehe zwar die solidarische Geste, jetzt an Moscheen ausnahmsweise lautsprecherverstärkte Muezzin-Rufe zu erlauben – aber bitte nicht generell (Innenstaatssekretär Günter Krings), schließlich sei der Muezzin-Ruf nicht mit Glockengeläut gleichzusetzen, weil er zu eindeutig Glaubensbekenntnis sei (Hermann Gröhe, Religionsbeauftragter der Unionsfraktion).

Dass der Muezzin-Ruf durch und durch religiös ist, dürfte unbestritten sein. Dass das Glockenläuten deshalb etwas ganz anderes ist, nämlich teils weltlich, ist eine anerkannte, wenn auch umstrittene Rechtsposition. Das politisch Verzwickte an der Gröhe-Krings-Argumentation ist gar nicht in erster Linie, was sie über den Muezzin, sondern was sie über das Läuten nahelegt. Wolfgang Huber sprach als Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland mal von „Selbstsäkularisierung“ und meinte einen Hang seiner Protestanten, Theologisches (tages-)politisch zu machen. Glocken sagen zwar auch die Zeit an – aber vorrangig rufen sie nun mal wie der Muezzin zum Gottesdienst, nicht zu irgendeinem Kaffeekränzchen.

Warum also die scharfe Gegenüberstellung von Muezzin und Glocken? Klar, Aufläufe dürfen am Moscheen nicht entstehen. Das Problem aber liegt tiefer. Im Streit um die öffentliche Sichtbarkeit des Islam wird viel Angst geschürt, etwa von der AfD. Gerade in diesen angsterfüllten Zeiten wäre daher das Signal einer Grundrechts- und C-Partei angebracht gewesen: Wer zu unseren Werten steht und zum Gebet ruft, hat die Unterstützung von uns Christen. Wir tun’s ja auch.

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