Kolumne: Berliner Republik Verhandlungen rund um die Spitze des Eisbergs

Politische Verhandlungen sind wie Mikado: Wer zuerst zuckt, hat verloren. Deshalb will Kanzlerin Merkel auch nichts von dem Vorstoß ihres Vizes wissen, der die Sanktionen gegen Russland lockern möchte.

Was bei politischen Verhandlungen sichtbar auf dem Tisch liegt, ist immer nur die Spitze des Eisbergs. Kundige Verhandler wissen, wie sie steuern müssen, um unbeschadet ans Ziel zu kommen. So ist das auch in den Gesprächen, die der Westen jetzt mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin über eine Deeskalation in Syrien führt. Das einigende Ziel ist es, den unmenschlich brutal agierenden IS zu stoppen.

Für Putin ist der Kampf gegen den IS eine gute Gelegenheit, in positiver Rolle auf die Weltbühne zurückzukehren. Durch die Annexion der Krim und seine weitere Rolle in der Ukraine-Krise hatte er sich weitgehend isoliert. Der Westen zeigte ihm die kalte Schulter. Nun wird er wieder gebraucht. Für Vizekanzler Gabriel war diese Lage Anlass für die Forderung, man möge die Sanktionen gegen Putin lockern. Nun ist Gabriel nicht nur SPD-Chef und Vizekanzler, sondern auch Wirtschaftsminister. Die Lobbyisten werden ihm mächtig in den Ohren liegen, dass man doch gerne wieder Geschäfte mit Russland machen möchte. Vielleicht hat er sich auch vom früheren Kanzler und Putin-Freund Gerhard Schröder überzeugen lassen.

Doch eine Lockerung der Sanktionen gegen Putin wäre taktisch falsch. Der russische Präsident hat selbst so viel Interesse daran, die Lage in Syrien zu deeskalieren, dass man ihm diese Schritte nicht mit Sanktionslockerungen versüßen muss. Dabei geht es nicht nur um seine Rolle als Präsident einer Weltmacht, als der er sich sieht. Auch Russland fürchtet, dass sich der IS in seine Richtung ausbreitet.

Mit der Ukraine hat das alles nichts zu tun. Es wäre ein fatales Signal, wenn der Westen in der einen Region Verstöße gegen das Völkerrecht akzeptiert, um noch schlimmeres Unrecht in einem anderen Teil der Welt abstellen zu können. Zudem gibt es eine Arbeitsteilung zwischen Merkel und Obama: Sie kümmert sich um die Probleme in Europa, die Flüchtlinge und die Ukraine. Die Amerikaner stehen dafür in der ersten Reihe, wenn es um den Kampf gegen den Terror geht.

Nun gibt es für politische Verhandlungen auch die Theorie, dass stets alles mit allem zusammenhänge. Man muss aber wissen, in welcher Reihenfolge. Die Sanktionen gegen Putin können erst aufgehoben werden, wenn der russische Präsident die Ursachen für die Sanktionen beseitigt. Dies wiederum wird er frühestens tun, wenn er auf internationaler Bühne wieder Anerkennung bekommt. Der gemeinsame Kampf mit dem Westen gegen den IS ist dazu eine Gelegenheit.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort