Kolumne: Berliner Republik USA und England schuld an Flüchtlingskrise

Es kann in der transatlantischen Partnerschaft nicht so weitergehen, dass die einen die Suppe einbrocken und die anderen sie auslöffeln. Diejenigen, die den großen Schlamassel ausgelöst haben, sollten in der Flüchtlingsfrage zur Rechenschaft gezogen werden.

Der frühere britische Premier Tony Blair hat sich kürzlich in einem Interview mit CNN Europe dafür entschuldigt, dass Großbritannien und die USA sich damals geirrt hätten, als sie auf der Grundlage falscher Geheimdienstinformationen den Irak-Krieg angezettelt hätten. Das hat Blair in den vergangenen Jahren schon öfter gesagt.

Was er diesmal hinzugefügt hat: Erstens hätten die Alliierten dieses Krieges keine Vorstellung davon gehabt, was man machen würde, wenn das Regime des Saddam Hussein weg sein würde. Und zweitens räumte Blair auf die Nachfrage, ob denn der Irak-Krieg der Hauptgrund für das Erstarken des Islamischen Staates gewesen sei, ein: "Ich glaube, da ist was Wahres dran." Und: "Natürlich kann man nicht sagen, das wir, die wir Saddam 2003 beseitigt haben, keine Verantwortung tragen für die Situation 2015". Es tut gut, wenn einer der Hauptverantwortlichen nach vielen vielen Jahren endlich das Offensichtliche ausspricht: Die USA und ihre engster Verbündeter Großbritannien haben mit einem nicht zu Ende gedachten Irak-Krieg den tobenden Syrien-Krieg ausgelöst und die Flüchtlingsströme damit auch.

Die Blairschen Sätze sollten unmittelbar zu Folge haben, dass diejenigen, die den großen Schlamassel ausgelöst haben, in der Flüchtlingsfrage zur Rechenschaft gezogen werden. Es kann nicht länger sein, dass der britische Premier David Cameron Flüchtlinge am Ende des Tunnels unter dem Ärmelkanal mit Hundestaffeln empfangen lässt. Und es kann nicht länger sein, dass US-Präsident Barack Obama nur gesalbte Worte für die deutsche Kanzlerin findet, statt seinerseits den Satz zu sagen, mit dem er Präsident wurde und den Merkel für ihre Flüchtlingspolitik entlehnt hatte: "Yes, we can!"

Es kann in der transatlantischen Partnerschaft nicht so weitergehen, dass die einen die Suppe einbrocken und die anderen sie auslöffeln. Es wäre an der Zeit, dass die derzeit rudernde deutsche Kanzlerin, wiewohl damals als Oppositionsführerin der Irak-Offensive nicht abgeneigt, das sowohl Barack Obama als auch David Cameron klar machte. Auch der UN-Generalsekretär Ban Ki Moon wäre in der Rolle, den beiden Staaten mehr abzuverlangen in der Flüchtlingskrise.

Fehler passieren, leider auch so fürchterliche wie dieser falsche, ziellose Krieg. Aber dann sollte man umso mehr die Größe und das Verantwortungsgefühl haben, sich an der Behebung ihrer Folgen nach Kräften zu beteiligen.

Christoph Schwennicke ist Chefredakteur des Magazins "Cicero" und schreibt regelmäßig an dieser Stelle im Rahmen einer Kooperation. Ihre Meinung? Schreiben Sie dem Autor: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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