Berliner Republik Steinbrück hofft auf den Schröder-Moment

Der angeschlagene SPD-Kanzlerkandidat hat noch eine Hoffnung: das TV-Duell gegen Angela Merkel. Steinbrücks Berater suchen den Moment für Menschlichkeit. Die Liebeserklärung ist schon vergeben.

Für Edmund Stoiber war die Sache klar: Nur Wochen nach der für Kanzlerkandidatin Angela Merkel ernüchternd ausgegangenen Bundestagswahl 2005 wusste der damalige CSU-Chef, warum Kanzler Gerhard Schröder doch noch aufgeholt hatte – die Liebeserklärung Schröders an seine Frau beim Fernsehduell sei der Wendepunkt im Wahlkampf gewesen. Tatsächlich hatte der charmant auftretende Schröder die in Umfragen zuvor enteilte Merkel eingeholt. Mit leicht gesenktem Kopf erklärte der Kanzler 20 Millionen Zuschauern, warum er seine Frau liebt. Das brachte Pluspunkte, waren sich die Meinungsforscher einig. 40 Prozent der Deutschen betonten damals, dass das Duell bei ihrer Wahlentscheidung geholfen habe.

Nun hofft SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück auf den "Schröder-Moment". Am 1. September tritt er gegen die Kanzlerin an. Nur ein TV-Duell hat Merkel zugelassen. Für den "Heureka-Effekt", wie die Amerikaner in Anlehnung an den griechischen Tüftler Archimedes jenen Moment nennen, der alles verändern kann, hat Steinbrück nur eine Chance. Eine Geste, ein Satz kann ihn zum Herausforderer auf Augenhöhe machen. Oder ihn endgültig ins Abseits befördern. Ronald Reagan brauchte 1980 im TV-Duell in den USA nur einen Satz, um die Attacken seines Kontrahenten Jimmy Carter zu kontern: "Immer dieselbe Leier." Die Szene des gelassen lächelnden Reagan ging in die Geschichte ein. Und half beim Wahlsieg. George Bush, der 1992 gegen Bill Clinton gelangweilt auf seine Uhr schaute, wurde als arrogant empfunden. Er verlor.

Peer Steinbrück, als kühl und unnahbar beschrieben, braucht mehr denn je den Moment der Menschlichkeit. Sein spontaner Tränen-Auftritt neulich mit seiner Frau Gertrud war so etwas. Aber wie lässt sich das im Duell wiederholen? Steinbrücks Berater zerbrechen sich den Kopf. Eine Liebeserklärung à la Schröder wäre plumpe Nachahmung. Eine private Anekdote mit einer politischen Botschaft verknüpfen, das schon eher. Nur wie?

Der Fahrradfahrer Steinbrück, der sich für Ökologie einsetzt? Der Hamburger mit dänischen Wurzeln, der sich glaubhaft für Integration einsetzt? Steinbrücks Leidenschaft zum Schachspiel, so viel wissen auch seine Berater, eignet sich nicht recht für einen Volkstribunen. Steinbrück will nun mit Sparringspartnern den möglichen Verlauf des Duells durchspielen. Vielleicht mimt ja Andrea Nahles Angela Merkel, und Sigmar Gabriel gibt den kritischen Fragesteller. Da müsste sich doch ein Moment finden lassen, der Steinbrück den Bonus beschert.

Ob's hilft? Wir wissen es nicht. Aufklärung: 1. September, 20.15 Uhr.

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(RP)
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