Berliner Republik SPD setzt auf Wolfgang Schäuble als Kanzlermacher

Wie könnte die SPD im Herbst eine große Koalition ertragen, wenn es für Rot-Grün nicht reicht? Sie hofft auf den Dolch des CDU-Finanzministers.

Ein strategisch wichtiges Motto im Bundestagswahlkampf könnte sein: Der Feind meines Feindes ist mein Freund. Wenn es nach der SPD geht, soll dieses machttaktische Denkmuster jedenfalls helfen, die ungeliebte Kanzlerin aus dem Amt zu manövrieren.

Und das ginge so: Sollten Rot-Grün und Schwarz-Gelb – wonach es derzeit aussieht – jeweils keine eigene Mehrheit im Bundestag zustande bringen, dürfte der öffentliche Druck zur Bildung einer stabilen großen Koalition enorm hoch sein. Das wissen die Sozialdemokraten natürlich – und fürchten sich. Denn die Juniorpartner-Jahre 2005 bis 2009 hat die SPD in schmerzhafter Erinnerung. Die Merkel-Festspiele endeten für die SPD mit einer Schrumpfkur in Regierungsverantwortung. 2009 bekam sie das historisch schlechteste Ergebnis bei einer Bundestagswahl. Wie könnte man also eine große Koalition unter der wohl stärkeren CDU akzeptieren? Da sind sich die Genossen einig: nur ohne Merkel. Schließlich wird die SPD im Wahlkampf auf jedem Marktplatz das Ziel einer Merkel-freien Regierung versprechen. Hier kommt CDU-Finanzminister Wolfgang Schäuble ins Spiel. Der ausgebildete Jurist soll in dem Szenario den "advocatus diaboli" geben. Den Merkel-Mörder. Der Mann, der in seiner persönlichen Karriereplanung so oft von der CDU-Frau ausgebootet wurde und Ämter abgeben musste (Partei- und Fraktionschef) oder gar nicht annehmen durfte (Bundespräsident, Euro-Gruppe), soll der Kanzlerin den entscheidenden Schubs vom Sockel geben. Vorstellbar sei, so diskutieren es Genossen, dass Schäuble im Herbst nach Wochen der verzwickten Verhandlungen den auch bei der SPD genehmen Verteidigungsminister Thomas de Maizière als Kompromiss-Kanzler überredet und den CDU-Gremien andient. Vor der Alternative stehend, CDU-Kanzler oder Rot-Rot-Grün, würden die Konservativen doch lieber Angela Merkel in die Wüste (oder zur EU nach Brüssel) schicken, lautet die SPD-Hoffnung. Es wäre tatsächlich Schäubles letzte Möglichkeit der stillen Rache an Merkel. Ob der in den vergangenen Jahren eher loyale und integre Badener zu einem solchen Schurkenstück bereit wäre, ist indes fraglich. In der SPD heißt es, Merkel habe Schäuble so viele Niederlagen zugefügt, der CDU-Mann könne ja nicht "ewig schlucken".

Wer genau hinhört, kann in den Äußerungen von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück erkennen, dass er sich diese Option offenhält. Zwar bekundet der Merkel-Herausforderer stets, dass er nie in ein großkoalitionäres Kabinett eintreten werde. Doch fehlt dabei nie der Zusatz "unter Merkel". Als Vizekanzler und Finanzminister unter einem Bundeskanzler de Maizière könnte sich Steinbrück bequem einrichten.

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(RP)
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