Kolumne: Berliner Republik War Merkel auch mal eine Hetzerin?

Berlin · Wer die Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin kritisiert, steht schnell als Rassist da. Dabei klangen Angela Merkels Worte vor gut zehn Jahren gar nicht so anders.

Kolumne Berliner Republik: War Merkel auch mal eine Hetzerin?
Foto: Schwennicke

Es war das klassische Verhaltensmuster, das der Professor mittleren Alters, CDU-Mitglied aus dem Rheingau-Taunus-Kreis bei seiner Kritik an deren Flüchtlingspolitik an den Tag legte. Der eigentlichen Aussage wird eine Beteuerungsformel vorangestellt. Er sei ein "ganz harmloser Mensch" und habe mit Rechtspopulisten nichts zu tun, versicherte er vergangene Woche im Videochat mit der Kanzlerin im Vorfeld des CDU-Bundesparteitages. Er habe nur zum ersten Mal in seinem Leben Angst um die Zukunft seiner Kinder und die Stabilität der Gesellschaft.

So ergeht es in den vergangenen 16 Monaten allen, die sich erlauben, kritische Einwände gegen Merkels Flüchtlingspolitik vorzubringen. Die Nazi-Keulen kreisen tief. Unlängst schwang ein Kommentator bei "Spiegel Online" sich zu der These auf, alle AfD-Wähler und -Sympathisanten seien Rassisten.

Wer beispielsweise so redet, steht ganz schnell als Hetzer da: "Da muss man natürlich darüber sprechen, dass es den Missbrauch des Asylrechts gibt. Da muss man natürlich sagen, die Folge kann nur sein, Steuerung und Begrenzung von Zuwanderung. Alles andere wird keine Akzeptanz in der Bevölkerung finden." Das hat Merkel den Delegierten des CDU-Bundesparteitags 2003 in Leipzig zugerufen.

War die Kanzlerin auch mal eine Hetzerin? Sie lieferte seinerzeit ihre Sicht auf jene Form der Diffamierung gleich mit, der heute die Kritiker ihrer Politik ausgesetzt sind: "Manche unserer Gegner können es sich nicht verkneifen, uns in der Zuwanderungsdiskussion in die rechtsextreme Ecke zu rücken, nur weil wir im Zusammenhang mit der Zuwanderung auf die Gefahr von Parallelgesellschaften aufmerksam machen." Seit die Kanzlerin diese Sätze gesagt hat, sind mindestens 1,2 Millionen Migranten zusätzlich nach Deutschland gekommen. Die Merkel'schen Sätze mit ihren Schlüsselbegriffen klingen da im Kopf wie ein Kommentar zu ihrem eigenen Regierungshandeln.

Merkels Alleingang hat das politische Klima in Deutschland vergiftet. Viele, wie der Professor aus dem Rheingau, trauen sich nicht, ihre Meinung zu sagen, weil man dafür in die rechtsextreme Ecke gestellt wird. Obwohl man sich auf die Kanzlerin selbst berufen könnte.

Christoph Schwennicke ist Chefredakteur des "Cicero" und schreibt regelmäßig an dieser Stelle im Rahmen einer Kooperation. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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