Berliner Republik Hol mir einen Promi, ich will da rein

Wer als Politiker wieder oder neu gewählt werden will, braucht Akzeptanz in der Bevölkerung. Um den eigenen Ruf aufzupeppen, ziehen Politiker gerne mit Promis durchs Land.

Ein paar jugendliche Hip-Hop-Anhänger dürften nun etwas mit dem Namen Christian Freiherr von Stetten anfangen können. Der CDU-Bundestagsabgeordnete war bisher außerhalb seines Wahlkreises Schwäbisch Hall nicht sonderlich aufgefallen. Typ konservativ, brav, unspektakulär. Doch im Juni 2012 schaffte er es auf viele Titelseiten, weil er den Skandal-Rapper Bushido als Praktikanten in seinem Bundestagsbüro eingestellt hatte. Dass der Prolo-Musiker in seinem neuesten Song Grünen-Chefin Claudia Roth von Kugeln durchsieben lässt und Homosexuelle attackiert, hat Bushido inzwischen ins gesellschaftliche Abseits und seinen Songtext auf den Index manövriert. Von Stetten will nicht mehr viel von seinem Ex-Praktikanten wissen.

Politiker, die in den Beliebtheitsranglisten auf hinteren Plätzen rangieren, suchen im heraufziehenden Bundestagswahlkampf dennoch wieder nach prominenten Unterstützern. Gemeinsame Auftritte, Anzeigen oder Veranstaltungen mit TV-Stars oder Musikern gelten parteiübergreifend als Erfolgsrezept.

"Wenn Xavier Naidoo bei Facebook zur Wahl der SPD aufrufen würde, brächte das mehr Stimmen als 20 Kundgebungen mit Steinbrück", sagt ein SPD-Stratege. Die Südwest-SPD will den Musikstar angeblich für eine Unterstützung gewinnen. Geliehene Popularität ist schließlich auch Popularität.

Tief in die 80er-Jahre-Kultkiste greifen die Sozialdemokraten für das große Fest zum 150-jährigen Bestehen der Partei in drei Wochen vor dem Brandenburger Tor. Nena und die Prinzen sollen die Massen begeistern und so indirekt eine kleine Wahlempfehlung aussprechen.

Auch die CDU startet wieder eine Unterstützerinitiative, wie das Buhlen um die Promis im Funktionärsjargon heißt. DFB-Manager Oliver Bierhoff und Boxweltmeisterin Regina Halmich gehören angeblich dazu. Und natürlich der ewige TV-Schwiegersohn Sascha Hehn. Die Grünen wollen den früheren US-Vizepräsidenten und Klimaschützer Al Gore für eine Veranstaltung buchen, ist zu hören. Die FDP-Abgeordneten werben mit dem kühlen Charme von Schauspieler Sky du Mont. Alles nach dem Motto: Hol mir einen Star, ich will da rein. In den Bundestag.

Nur die Bundeskanzlerin will – wieder einmal – auf Auftritte mit Prominenten verzichten. Angela Merkel ist ja längst selbst ein internationaler Star. Die Anfragen der CDU-Bundestagskandidaten für einen Merkel-Besuch im Wahlkreis stapeln sich. 65 Kundgebungen will Merkel bis zum Wahltag absolvieren. Das wäre ein neuer Rekord. Dabei haben die Redeauftritte der CDU-Chefin für gewöhnlich eher bescheidenen Unterhaltungswert.

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(RP)
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