Berliner Republik Grün oder Schwarz? Die doppelte Hannelore

Im Land Chefin von rot-grünen Klimaschützern, im Bund schwarz-rote Industriepolitikerin: Hannelore Kraft gibt es demnächst doppelt. Vor allem montags und freitags.

Schwarz-Rot oder Rot-Grün. Berlin oder Düsseldorf. Bundestag oder Bundesrat. Das politische Leben der Hannelore Kraft dürfte in den kommenden vier Jahren großkoalitionärer Bundesregierung komplexer werden. Devise: "Wer bin ich? Und wenn ja wie viele?" Die NRW-Regierungschefin steckt in einer für sie unbequemen Zwitter-Rolle. Vor allem montags und freitags.

Montags, wenn der Parteivorstand der SPD in Berlin zusammenkommt, schlüpft die NRW-Regierungschefin als einflussreiche Vizevorsitzende der SPD in die Rolle der großkoalitionären Industriepolitikerin. Dann geht es darum, die schwarz-rote Koalition kraftvoll dabei zu unterstützen, dass konventionelle Kraftwerke "auf absehbare Zeit unverzichtbar bleiben", wie es im Koalitionsvertrag heißt. Und dass "Industriearbeitsplätze" erhalten bleiben, wie es Kraft und ihr industriepolitischer Sekundant Garrelt Duin tagein, tagaus erklären.

Kapazitätsmärkte sollen geschaffen werden, die den notleidenden Energiekonzernen den Weiterbetrieb ihrer fossilen Kraftwerke vergüten. Außerdem will Schwarz-Rot bis Ostern 2014 ein Gesetz vorlegen, das die Förderung der Öko-Energien im Erneuerbare-Energien-Gesetz auf ein erträgliches Mindestmaß zusammenstutzt. Die Ausbaupläne für erneuerbare Energien wurden abgemildert, die Ausnahmen für die Industrie sollen bleiben. Der De-facto-Deckel für die Ökostromförderung, die finanzielle Unterstützung der fossilen Kraftwerksbetreiber sowie die erzwungene Grundlast-Kooperation der kleinen selbstständigen Ökostromanbieter mit den großen Energiekonzernen sind das Vermächtnis der SPD-Vizechefin Hannelore Kraft. Bezahlbare Energie, das war ihr Leitgedanke.

Freitags hat dieselbe Hannelore Kraft mit dieser Politik ein handfestes Problem. Wenn der Bundesrat zusammenkommt, repräsentiert die SPD-Frau eine rot-grüne Landesregierung. Mehr noch: Kraft koordiniert alle rot-grünen Länderregierungen. Welcher Energiepolitik also dienen?

Im Bundesrat ist die große Koalition ziemlich klein. Nur 27 der 69 Stimmen entfallen auf Schwarz-Rot. Dass Hessens CDU-Ministerpräsident Volker Bouffier nun mit den Grünen koalieren will, macht es nicht besser. Angela Merkel braucht aber mindestens zwei rot-grüne Flächenländer als Mehrheitsbeschaffer, wenn ihre Bundesregierung ein für die Länder finanzwirksames (und damit zustimmungspflichtiges) Gesetz in der Energiepolitik umsetzen will. Beispielsweise die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes.

Und wen ruft die Kanzlerin dafür an? Richtig, Hannelore Kraft. Die muss dann zunächst mit sich selbst ins Reine kommen. Ist sie Hannelore Kraft, die großkoalitionäre Industriepolitikerin, oder Hannelore Kraft, die Vorzeige-Rot-Grüne, die in Düsseldorf das bundesweit erste Klimaschutzgesetz auf den Weg gebracht hat? Wer da gewinnt, ist leicht auszurechnen. Im Zweifel für die Arbeitsplätze. Die NRW-Energiekonzerne drohen unverhohlen mit Abwanderung und Arbeitsplatzabbau, wenn sie keine Unterstützung für ihre Kraftwerke bekommen. Dass Kraft diesen Argumenten zuträglich ist, hat sie alleine dadurch bewiesen, dass sie sich als Arbeitsgruppenchefin bei den Berliner Koalitionsverhandlungen in die Pflicht nehmen ließ. Das Ergebnis kann sich aus ihrer Sicht ja auch sehen lassen.

Nur dürften ihr in diesem Spiel die Grünen abhanden kommen. Den Berliner Energieplänen kann die Öko-Partei schwerlich zustimmen. NRW-Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) hat bereits deutlich gemacht, dass er das Jammern der Konzerne für übertrieben hält. Im Koalitionsvertrag der Düsseldorfer Koalition ist festgehalten, dass sich das Land im Bundesrat bei strittigen Fragen enthalten muss. Für die Bundesregierung wirkt die Enthaltung dann wie ein Nein.

Die doppelte Kraft steckt im Dilemma. Entweder sie riskiert die Düsseldorfer Koalition, oder sie bekommt ihre schwarz-rote Energiepolitik nicht ins Gesetzesblatt. Einem Brettspiel zufolge ist das eine klassische Zwickmühle. Einen Stein verliert sie auf jeden Fall.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

(brö)
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