Berlin Groko-Rekord bei Waffenexporten

Berlin · In der vergangenen Legislaturperiode genehmigte die Bundesregierung so viele Lieferungen wie nie zuvor. Brisant ist, dass vor allem die Exporte in Drittstaaten zunahmen, die weder Nato- noch EU-Mitglied sind - mit fatalen Folgen.

Der Vorsatz: auf dem Papier streng. Die Ausführung: in der Praxis großzügig. Die selbst gesetzten strengen "Politischen Grundsätze für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern", wie es CDU, CSU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag von 2013 aufgeschrieben haben, hat die Groko in den Regierungsjahren 2014 bis 2017 weit gedehnt.

Nach einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion stieg der Wert der Rüstungsexporte bei den Einzelgenehmigungen in der abgelaufenen Legislaturperiode auf eine Rekordsumme von 24,91 Milliarden Euro. Damit genehmigte diese große Koalition mehr Waffenexporte als die schwarz-gelbe Vorgängerregierung (20,71 Milliarden Euro) und auch mehr Waffenexporte als die erste große Koalition unter Führung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (18,66 Milliarden Euro).

Besonders brisant: Die Ausfuhr von Waffen und Rüstungsgütern in sogenannte Drittstaaten, die nicht Mitglied der Nato oder der EU sind, stieg im vergangenen Jahr auf den zweithöchsten Wert seit 2005. Nur 2015 hatte ebenfalls diese Groko mit Einzelgenehmigungen in Höhe von 4,621 Milliarden Euro noch mehr Waffen an Drittländer, darunter auch an Länder in Spannungsgebieten, ausführen lassen.

Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner sprach von einer "verheerenden Bilanz" der Waffenexporte von Schwarz-Rot. Er forderte unmissverständlich eine Abkehr von der bisherigen Genehmigungspraxis: "Keine Waffenlieferungen an Drittstaaten, keine Waffenlieferungen an die Türkei. Auch keine Nachrüstung der Leopard-Panzer." Deutschland hatte in den zurückliegenden Jahren 700 Leopard-Panzer an die türkische Armee geliefert. Auch 2017 exportierte Deutschland an den Nato-Partner Rüstungsgüter. Der Wert der Ausfuhren sank aber auf deutlich weniger als die Hälfte von 83,9 Millionen Euro (2016) auf 34,2 Millionen Euro.

Nach Medienberichten setzt Ankara die Panzer bei der laufenden türkischen Offensive gegen kurdische Milizen in Nordsyrien ein, die dort gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) kämpfen. Außenminister Sigmar Gabriel hatte zuletzt Verständnis für die Vorstellung der Türkei geäußert, Leopard-Panzer nachrüsten zu lassen - unter anderem mit einem stärkeren Schutz vor Minen. Linke-Außenpolitiker Stefan Liebich betonte: "2015, 2016 und 2017 sind die Jahre mit den höchsten Waffenexportzahlen in der Geschichte der Bundesrepublik." Und dies in einer Zeit, in der die SPD Wirtschafts- und Außenminister stelle. Gabriel könne "noch so viele Sonntagsreden halten und erklären, wie wichtig es sei, die Verfahren zu verschärfen - die Zahlen sprechen eine deutlich andere Sprache", so Liebich.

Nach dem Wortlaut ihres Sondierungspapiers hat sich eine nächste GroKo vorgenommen, Rüstungsexporte weiter einzuschränken sowie die Richtlinien für Rüstungsexporte aus dem Jahr 2000 zu schärfen. Und: "Die Bundesregierung wird ab sofort keine Ausfuhren an Länder genehmigen, solange diese am Jemen-Krieg beteiligt sind", heißt es da. Tatsächlich aber habe Deutschland "mit Hilfe der SPD diese gefährliche Region erneut gefährlich aufgerüstet", kritisiert Liebich. Beinahe die Hälfte aller deutschen Waffen sei 2017 dorthin geliefert worden. So habe Ägypten, Partner Saudi-Arabiens im Jemen-Krieg, Rüstungsgüter im Wert von 708 Millionen Euro erhalten, 77 Prozent mehr 2016. SPD-Fraktionsvize Rolf Mützenich betonte die Notwendigkeit einer "einheitlichen restriktiven europäischen Rüstungsexportrichtlinie". Neben der verabredeten Schärfung der Rüstungsexportrichtlinie aus dem Jahr 2000 müsse künftig auch die Ausfuhr von Kleinwaffen schärferen Grundsätzen unterliegen.

(hom)
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