Kolumne: Berliner Republik Die Regierungsparteien sind reif für die Couch

Berlin · Die große Koalition hält nur noch der Gedanke zusammen, dass es ohne dieses Bündnis für alle Beteiligten noch schwieriger werden könnte.

Die Regierungsparteien sind reif für die Couch
Foto: Quadbeck

Lebten Union und SPD in einer Paarbeziehung, wäre es höchste Zeit, den beiden einen guten Paartherapeuten mit einer bequemen Couch zu empfehlen. Wenn der Streit zum Normalzustand wird, die Kommunikation nicht mehr funktioniert und Kompromisse kaum noch möglich sind, dann ist eine Beziehung eigentlich am Ende.

Offene Konfrontation

Die heftigen Auseinandersetzungen auch um weniger relevante Details in der Flüchtlingskrise, das politische Dauerfeuer aus Bayern und die entsprechend harschen Reaktionen der SPD sowie die offene Konfrontation von Verkehrsminister Alexander Dobrindt mit Kabinettschefin Angela Merkel sind Ausdruck der tiefen Krise, in der die Koalition steckt. In solch einer Situation, in der keiner mehr Respekt vor dem anderen zeigt, kann ein Streit plötzlich so eskalieren, dass ein Bündnis an einer Kleinigkeit zerbricht, die niemand vorhergesehen hat. Der historische Vergleich zur Weimarer Republik soll an dieser Stelle ausdrücklich nicht gezogen werden, da wir trotz aller aktuellen Schwierigkeiten in einer gefestigten Demokratie leben und auch im Fall eines turbulenten Regierungswechsels die Demokratie selbstverständlich fortbestehen wird. Erinnert sei aber dennoch an den Streit um die Arbeitslosenversicherung, die die letze demokratische Regierung in Deutschland vor der Machtergreifung der Nazis zu Fall brachte. Die Parteien waren derart in ihren Auseinandersetzungen gefangen, dass sie die Folgen ihres Handelns nicht bedachten.

Spiegelfechtereien

An einen solchen Punkt, an dem Irrationalität das politische Handeln bestimmt, könnte auch die große Koalition gelangen, wenn sie in der Flüchtlingspolitik weiterhin ihre Spiegelfechtereien um Integration und Familiennachzug fortsetzt. Derzeit bringt alle Beteiligten immer wieder zur Vernunft, dass sich Deutschland in der aktuellen internationalen Krisenlage keine Staatskrise leisten sollte. Zudem herrscht allgemeine Ratlosigkeit, wer den Dampfer Deutschland eigentlich steuern sollte, wenn Angela Merkel von der Kommandobrücke ginge. So gesehen erscheint eher die Bundeskanzlerin als ihre Politik alternativlos.

Nun sind politische Bündnisse immer Zweckehen. Üblicherweise werden sie davon zusammengehalten, dass zwei oder mehr Parteien nach ihrer politischen Gewichtung ihre Anliegen und Wahlversprechen durchsetzen. Der ursprüngliche Ehezweck der großen Koalition, wonach die SPD den Mindestlohn, die CSU die Maut und die CDU die Macht bekommen, ist mit der Flüchtlingskrise abhanden gekommen. Das macht die Beziehung so schwierig.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

(qua)
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