Kolumne: Berliner Republik Die eigentliche Herausforderung nach dem Terror

Die Rückkehr zum Alltag nach einem Terroranschlag ist nicht leicht. Noch viel schwieriger ist es, das Gift, das eine solche Tat versprüht, nicht in die Gesellschaft eindringen zu lassen.

In der ganzen Welt hat Berlin Anerkennung für seine Gelassenheit nach dem furchtbaren Anschlag vor einer Woche bekommen. Die Menschen in der Hauptstadt waren tieftraurig, legten aber zugleich die Haltung an den Tag, sich von Terror nicht einschüchtern zu lassen. Sie verscheuchten mit Erfolg das Gefühl der Ohnmacht, das sich nach einer solchen Tat einstellt. Die rasche Rückkehr zur Normalität, ohne die Opfer und ihre Angehörigen zu vergessen, war wohltuend. Berlin bewies Größe.

Ein wenig von der Haltung der Hauptstädter hätte man auch der deutschen Politik gewünscht. Doch die wurde von dem Anschlag kalt erwischt. Selbstverständlich haben alle Verantwortlichen die Mahnungen des Innenministers und der Sicherheitsdienste im Hinterkopf, wonach in Deutschland eine abstrakt hohe Anschlaggefahr besteht und die Weihnachtsmärkte den Islamisten als konkrete Ziele gelten. Dennoch löst eine solche hinterhältige Tat einen Schock aus - auch wenn man theoretisch darauf vorbereitet ist. Es passierte, was immer bei unvorhergesehenen Ereignissen geschieht: Es treten die nach vorne, die ihr Süppchen auf den schrecklichen Ereignissen kochen. Wer erst einmal aufklären will, bevor die politischen Konsequenzen gezogen werden, gerät in die Defensive.

So tapfer die Berliner auf den Anschlag reagiert haben, so sind aber auch sie tief gespalten in der Frage, wie man politisch auf den Terror reagieren sollte. Vor dem Kanzleramt versammelte sich eine Gruppe von Menschen, angeführt von der AfD, die ihre Trauer kalkuliert für Protest gegen die Kanzlerin einsetzte. Auf dem Breitscheidplatz versammelte sich ein Chor aus Flüchtlingen sowie ihren Helfern und Freunden, die für die Opfer des Anschlags sangen. Einer Demonstration von wenigen Anhängern der rechtsradikalen NPD standen 800 Gegendemonstranten gegenüber.

Klar ist, dass durch den Anschlag von Berlin die Gräben in der Republik tiefer geworden sind. Damit hat der Terror eines seiner Ziele erreicht: Er will nicht nur Angst und Schrecken verbreiten. Er will auch Gift in eine Gesellschaft träufeln. Er will seinen Hass säen, dass dieser aufgeht und sich vermehrt.

Nach dem Schock eines Anschlags zum Alltag zurückzukehren, ist nicht einfach. Die noch viel größere Herausforderung aber besteht für eine Gesellschaft darin, sich nicht der schleichenden Veränderung hinzugeben, die Terror auslösen kann - einer Veränderung zu Feindseligkeit, Misstrauen und Hass. Das gilt für Berlin ebenso wie für den Rest der Republik.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de.

(RP)
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