Kolumne: Berliner Republik Bei der Rente geht es um mehr als Geld

Berlin · Mütterrente und Ost-West-Angleichungen stehen nicht nur für volkswirtschaftliche Rechnungen. Es geht um Lebensmodelle.

Bei der Rente geht es um mehr als Geld
Foto: Quadbeck

Es gibt wenige Bereiche in der Politik, die dauerhaft und immer wieder so emotionale Reaktionen auslösen wie das Thema Rente. Denn die Rente gehört zu den großen übergeordneten Gerechtigkeitsfragen, bei denen es um mehr geht als um Geld. Es geht um individuelle Lebensansätze. Entscheidend ist nicht nur, was die Rentenversicherung Monat für Monat in Euro und Cent überweist. Es stellt sich immer auch die Frage: Entspricht diese Summe meiner persönlichen Lebensleistung?

So war die Mütterrente 2013 für die Union der Wahlkampfknüller. Selbstverständlich fanden die meisten älteren Frauen die Aussicht schön, pro Kind und Monat rund 30 Euro mehr zu erhalten. Für viele Frauen war aber das Signal noch viel wichtiger: Es gibt eine gesellschaftliche Anerkennung für die Mühen und den Verzicht, die Kindererziehung bedeutet. Die ökonomische Frage, ob die Rentenversicherung diese Zahlungen dauerhaft wird leisten können, ohne dass die Beiträge für die jüngere Generation, die heute die Kinder erzieht, empfindlich steigen, trat demgegenüber in den Hintergrund.

Nun steht die Angleichung der Renten in Ost und West an. Es ist nicht verwunderlich, dass auch diese Maßnahme heftige und kontroverse Debatten auslöst. Im Osten sagen sie: Es kann doch nicht sein, dass wir 25 Jahre nach der Einheit immer noch weniger Rente bekommen als die im Westen - vergessen dabei aber, dass sich die beiden Volkswirtschaften mehr als 40 Jahre auseinanderentwickelt hatten. Im Westen hingegen finden viele, die Arbeitnehmer in der DDR hätten ja nicht in unser System eingezahlt und seien außerdem unproduktiver gewesen. Ganz fair ist das nicht: Die wenigsten Ostdeutschen hatten sich den Sozialismus ausgesucht.

Mich rufen auch oft Leserinnen an, die sich darüber empören, dass die Frauen im Osten ihre Kinder in die Krippe gegeben hätten und nun auch noch höhere Rente bezögen als die Mütter im Westen. Der Befund ist richtig. Die Frauen im Osten hat aber auch niemand gefragt, ob sie ihre Kinder vielleicht lieber selbst betreut hätten. Sie hatten überhaupt keine Wahl.

Das ist heute besser. Allerdings kann sich die junge Generation wegen des sinkenden Rentenniveaus nicht mehr darauf verlassen, im Alter von ihrer Rente leben zu können, auch wenn jemand mehr als 40 Jahre in Vollzeit gearbeitet hat.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

(qua)
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