Kolumne: Berliner Republik Außenkanzlerin Angela Merkel

Während sich die große Koalition innenpolitisch darauf verlegt hat, den Koalitionsvertrag buchstabengetreu abzuarbeiten, ist die Regierung in der Außenpolitik gefordert. Ihrem Ansehen nutzt das.

Ein Mechanismus der Machtpolitik ist es, seinen Fokus auf die Außenpolitik zu legen, um von den nicht lösbaren Problemen im eigenen Land abzulenken. Die in Berlin regierende große Koalition hat dies nicht nötig, denn durch das buchstabengetreue Abarbeiten des Koalitionsvertrags hat sie die politisch denkende Nation längst in den Dämmerzustand geschickt. Ob sie nun noch eine Milliarde zusätzlich ausgibt oder nicht, interessiert eigentlich nur noch die Spezialisten.

Dass die Außenpolitik dennoch im Mittelpunkt steht, liegt an der dramatischen Lage in der Welt und am neuen Anspruch Deutschlands, global mehr Verantwortung zu übernehmen. Dass die Ankündigung eines neuen deutschen Selbstverständnisses in der Außenpolitik durch den Bundespräsidenten sowie den Außenminister und die Verteidigungsministerin zusammenfällt mit einer derartigen Ballung von Krisen, Konflikten und humanitären Katastrophen, ist ein Zufall, der den Wert der Sonntagsreden an der Realität misst.

Bei den Fernsehnachrichten mag man im Moment manchmal nicht mehr hinsehen: Gewalt und Tote in Nahost, Eskalation und verzweifelte Menschen in der Ukraine, fürchterliche Gräueltaten und hoffnungslose Menschen im Norden des Irak. Nicht zu reden von Syrien, Libyen und den Verbrechen durch die islamistische Sekte Boko Haram in Nigeria. Schon lange gab es nicht mehr so viele Brandherde gleichzeitig auf der Welt. Angesichts dieser Dramen erscheint die Frage, ob die vom Verkehrsminister geplante Pkw-Maut eine gute Idee ist, fürchterlich profan.

Die Konzentration auf das Äußere hat im Laufe der neun Jahre Kanzlerschaft von Angela Merkel ohnehin zugenommen: Ein Teil ihres Erfolgs und ihrer Popularität beruht darauf, dass sie Deutschland unbeschadet durch die europäische Finanzkrise gesteuert hat. Die Menschen hatten stets den Eindruck: Die Kanzlerin passt schon auf unser Geld auf. So ist Angela Merkel mit ihren Erfolgen auf internationalem Parkett immer mehr zur Außenkanzlerin geworden. Ihren Umfragewerten tut dies gut, solange sich die Deutschen dafür interessieren, was in der Welt passiert.

Auch wenn es bei den großen Krisenherden aktuell nicht um deutsche Euros geht, so sind Betroffenheit und Anteilnahme in der Bevölkerung groß. Bei der Ukraine sind es die Nähe zu Russland und die Erinnerung an den Kalten Krieg, die das Interesse der Bevölkerung wachhalten. Im Fall des Vormarschs der Terrormiliz IS sind es die erschütternden Bilder der Gräueltaten der selbst ernannten Gotteskrieger, die die Bevölkerung aufgerüttelt haben.

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(RP)
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