Energiewende bis 2038 Viel Lob für den Kohleausstieg

Berlin · Bis 2038 soll das letzte Kohlekraftwerk vom Netz gehen. NRW macht den Anfang. Der Hambacher Forst soll nicht gerodet werden. Neue Arbeitsplätze sollen entstehen. Es ist die Rede von einem historischen Beschluss.

 Ein Schaufelradbagger trägt Braunkohle im Braunkohletagebau Welzow-Süd der Lausitz Energie Bergbau AG ab (Archivfoto).

Ein Schaufelradbagger trägt Braunkohle im Braunkohletagebau Welzow-Süd der Lausitz Energie Bergbau AG ab (Archivfoto).

Foto: picture alliance/dpa/dpa

Deutschland will mit einem milliardenteuren schrittweisen Kohleausstieg bis 2038 seine Verantwortung für die Erderwärmung übernehmen und die Wende zu den Erneuerbaren Energien vollziehen. Damit könnten das Verlangen der in Umfragen ermittelten Mehrheit der Bürger nach einem umweltbewussteren Leben und die Interessen von Industrie und Wirtschaft in Einklang gebracht werden. Umweltexperten mahnen zwar, die Frist sei immer noch zu lang. Sie maßen dem Kompromiss der Kohlekommission, der als Grundlage für ein noch 2019 zu verabschiedendes Gesetz dienen soll, aber ebenso historische Bedeutung zu wie Vertreter aus Wirtschaft und Politik. Die Kohleregionen in Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg sollen 40 Milliarden Euro Hilfen für den Strukturwandel bekommen. Ein früherer Ausstieg soll 2032 geprüft werden - stimmen die Betreiber zu, ist auch ein Ende 2035 möglich.

Die Einhaltung der bis 2030 gesetzten deutschen Klimaschutzziele sei durch eine Umsetzung der Empfehlungen der Kommission gesichert, sagte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) unserer Redaktion. „Die Bundesregierung wird den Bericht der Kommission sorgfältig und konstruktiv prüfen. Jetzt haben wir die Chance, dass einer der anspruchsvollsten Transformationsprozesse der letzten Jahrzehnte mit einem großen gesellschaftlichen Konsens gelingen kann.“ Die Umweltschutzorganisation Greenpeace mahnte, das Ausstiegsdatum vorzuziehen. Sonst würden zwar die deutschen Klimaschutzziele mit der Reduktion der Treibhausgasemissionen um 55 Pozent gegenüber 1990 eingehalten – nicht aber die Zusagen für das Pariser Klimaschutzabkommen, wonach die Erderwärmung unter 1,5 Grad gehalten werden sollen. Dafür müssten die Emissionen um 70 Prozent gesenkt werden, sagte Greenpeace-Geschäftsführer Martin Kaiser.

In den vier Bundesländern könnten 60.000 Arbeitsplätze von dem Aus für die Kohle betroffen sein. RWE-Chef Rolf Martin Schmitz sagte unserer Redaktion: „Wie viele Mitarbeiter hiervon betroffen sein werden, können wir heute noch nicht sagen. Aber ich rechne mit einem signifikanten Abbau bereits bis 2023, der weit über die bisherigen Planungen und das durch normale Fluktuation mögliche hinaus geht. Dies betrifft unmittelbar bis Ende 2022 die Mitarbeiter der zu schließenden Kraftwerke.“ Schmitz legte sich nicht fest, wie RWE auf den Wunsch der Kommission eingehen wird, den Hambacher Forst zu erhalten. Er nannte die Auseinandersetzung um den Wald „nicht rational“. Er erkannte aber an, dass er „zu einem Symbol für den Kohleausstieg“ geworden ist. RWE werde prüfen, „was sinnvoll machbar ist“. Greenpeace erklärte: „Der Hambacher Forst ist gerettet.“

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) sagte, der Kommissionskompromiss zeige, „dass Deutschland nicht so gespalten ist wie viele andere Gesellschaften.“ Energieminister Andreas Pinkwart (FDP) bezeichnete es als fair, dass zuerst NRW  Kraftwerke vom Netz nehme. „Weil wir die besseren Bedingungen haben und weil wir eine besonders große Chance haben, nachhaltige, wettbewerbsfähige Arbeitsplätze neu zu schaffen. Das rheinische Braunkohlerevier ist umgeben von starken Zentren und Forschungseinrichtungen.“ Nach seinen Angaben bekommt Nordrhein-Westfalen 15 der 40 Milliarden Euro Strukturhilfe. Er betonte: „Wir wollen nicht einfach mit staatlichem Geld wegfallende Arbeitsplätze ersetzen. Wir werden etwas Neues bauen.“ Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sagte: „Für die weiteren Tage ist es nun entscheidend, dass der Bund Verlässlichkeit schafft.“ Die Länder bräuchten eine gesetzliche Fixierung der Maßnahmen. Bis Ende April müssten die Eckpunkte vorliegen.

Derzeit haben Stein- und Braunkohle einen Anteil von 35 Prozent am deutschen Strommix - so viel wie erneuerbare Energie. Durch den Atomausstieg bis 2022 muss der Ökoenergie-Anteil und das Speichern von überschüssigem Wind- und Solarstrom erhöht werden, zudem könnte es mehr Strom aus Gaskraftwerken geben. Um Aufschläge beim Strompreis zu vermeiden, soll ein Zuschuss von zwei Milliarden Euro jährlich ab 2023 geprüft werden - bis dahin sollen bereits rund sieben Gigawatt (GW) Kohlekapazität mehr als bisher geplant vom Netz, davon drei Gigawatt Braunkohle. Nach Vorschlägen der Kommission sollen durch die Ansiedlung von Bundesbehörden und anderer Einrichtungen in den Revieren neue 5000 Jobs entstehen. Einer der vier Vorsitzenden der Kohlekommission, der frühere Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU) sagte: „Wir haben es geschafft.“

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