Thierse attackiert Altkanzler "Kohl ließ seine Frau im Dunkeln sitzen"

Berlin · Politiker der Union fordern den Rücktritt von Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse. Der SPD-Politiker hatte Altkanzler Helmut Kohl in einem Interview für sein Verhalten gegenüber seiner kranken und inzwischen verstorbenen Frau Hannelore Kohl kritisiert. Vertreter von CDU und CSU reagierten empört.

Nachdem Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) seinen Rücktritt erklärt hatte, um sich um seine erkrankte Ehefrau kümmern zu können, hatte Thierse die Entscheidung in einem Interview mit der "Leipziger Volkszeitung" verteidigt. Darin nahm er auch Bezug auf Altkanzler Helmut Kohl (CDU): "Seine Frau im Dunkeln in Ludwigshafen sitzen zu lassen, wie es Helmut Kohl gemacht hat, ist kein Ideal." Hannelore Kohl, die Frau des früheren Bundeskanzlers, hatte bereits während dessen Amtszeit unter einer Lichtallergie gelitten und sich 2001 das Leben genommen. Jetzt schlagen die Wellen der Entrüstung hoch.

Thierse "sollte seinen Hut nehmen, oder die SPD muss ihn zurückziehen", verlangte der Vorsitzende des Parlamentskreises Mittelstand der Unions-Bundestagsfraktion, Michael Fuchs (CDU), in der "Schweriner Volkszeitung" (Donnerstagausgabe). "Seine Äußerungen sind skandalös und eines Bundestagsvizepräsidenten unwürdig."

"Amt schwer beschädigt"

Der rechtspolitische Sprecher der Union, Jürgen Gehb (CDU), betonte: "Er hat das Amt des Bundestagsvizepräsidenten schwer beschädigt. Ich habe jede Achtung vor Herrn Thierse verloren und kann ihn nicht mehr ernst nehmen. Die Äußerung disqualifiziert ihn mindestens für das Amt des Bundestagsvizepräsidenten, wenn nicht sogar dafür, weiter Mitglied des Parlaments zu bleiben."

Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) sagte der in Hannover erscheinenden "Neuen Presse" (Donnerstagausgabe): "Das ist deutlich unter der Gürtellinie und unverantwortlich." Gerade von einem Bundestagsvizepräsidenten sei zu erwarten, dass er solche "dümmlichen Äußerungen" unterlasse.

Entschuldigung gefordert

"Wenn er sich nicht innerhalb von 24 Stunden entschuldigt, sollte er sein Amt abgeben", sagte der Sprecher der Unions-Landesgruppen im Bundestag, Georg Brunnhuber (CDU). Thierse "kann nicht mehr für die Mitglieder des Bundestages sprechen", sagte Brunnhuber weiter.

Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) zeigte sich ebenfalls empört: "Ich habe allerhöchsten Respekt, ja Hochachtung vor der Entscheidung Franz Münteferings. Umso schäbiger und geschmackloser finde ich, dass Herr Thierse sich in solcher Weise zu privaten Dingen äußert, in die er keinerlei Einblicke hatte und die er daher ganz sicher nicht beurteilen kann und nicht beurteilen sollte", sagte Koch der "Neuen Presse".

CSU-Generalsekretärin Christine Haderthauer kritisierte Thierse in der "Passauer Neuen Presse" (Donnerstagausgabe): "Es ist geschmacklos, wie Herr Thierse versucht, aus persönlichen Schicksalen politisches Kapital zu schlagen."

(afp)
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