Deutsches Kinderhilfswerk schlägt Alarm Können Jugendliche Demokratie?

Berlin · Ein Drittel der Erwachsenen zweifelt laut einer Umfrage daran, dass Minderjährige Verantwortung für unser politisches System übernehmen können. Dabei wäre Trübsinn gar nicht angebracht, wie andere Studien zeigen.

 "Eine Gesellschaft droht zu kippen": Der Präsident des Kinderhilfswerks warnt.

"Eine Gesellschaft droht zu kippen": Der Präsident des Kinderhilfswerks warnt.

Foto: dpa, fis pzi kat dna

Der Erhalt eines demokratischen Systems, eines Rechtsstaats und freiheitlichen Wertegerüsts setzt Vertrauen zwischen Eltern und ihren Kindern voraus. Was die Mitglieder des Parlamentarischen Rats 1949 nach den Verbrechen der Nazi-Diktatur mit dem Grundgesetz schufen, wurde in die Obhut der nachfolgenden Generationen gegeben. Gewaltenteilung, freie Wahlen, Bürgerrechte und all die anderen Vorzüge der Demokratie sollen von Müttern und Vätern an ihre Töchter und Söhne vermittelt werden, nicht nur in der Bundesrepublik Deutschland, sondern in allen Demokratien.

Doch gerade hierzulande schlägt nun das Deutsche Kinderhilfswerk Alarm. Einer Studie zufolge zweifelt ein Drittel der erwachsenen Bevölkerung daran, dass die heutige Generation der Kinder und Jugendlichen als Erwachsene Verantwortung für den Erhalt unserer Demokratie übernehmen können. In anderen Worten: Ein Drittel der Elterngeneration hat kein Zutrauen in die jüngeren Bundesbürger, die Demokratie zu wahren. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Studie, für die das Meinungsforschungsinstitut Infratest Dimap im Auftrag des Kinderhilfswerks rund 1000 Erwachsene und mehr als 600 Kinder und Jugendliche befragte.

"Gefahren für die Demokratie"

Thomas Krüger, Präsident des Kinderhilfswerks, sagte am Donnerstag in Berlin, das Ergebnis sei "besorgniserregend". Er mahnte, dass eine Gesellschaft "kippen" könne, wenn mehr als 25 Prozent der Menschen den Glauben an etwas verlören, sagte er. Petra Pau, Linken-Politikerin und Vizepräsidentin des Bundestages, teilt Kügers Sorgen. "Das ist ein Alarmsignal", sagte Pau bei der Vorstellung der Studie. Rechtspopulisten seien in Europa und weltweit auf dem Vormarsch. "Das birgt Gefahren für die Demokratie", sagte Pau. Sie sei überzeugt, dass die Vermittlung von Demokratiefähigkeit eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sei, so die Berliner Abgeordnete.

Aber ist es wirklich so schlecht um diese Kompetenz bei Kindern und Jugendlichen bestellt? Schließlich bedeuten die Zahlen andersherum doch, dass die überwiegende Mehrheit der Erwachsenen durchaus Zutrauen in die Demokratiefähigkeit ihrer Kinder hat. Immerhin sehen sich die befragten Erwachsenen selbst in der Pflicht, den jüngeren Bürgern demokratische Überzeugungen zu vermitteln. 90 Prozent der Befragten sehen Familie und Elternhaus dabei in der Pflicht, 65 Prozent die Bildungseinrichtungen wie Schulen und Kindergärten. Mit deutlichem Abstand folgen Sportvereine (zwölf Prozent) und die politischen Parteien (zehn Prozent).

Krüger warnt angesichts der Studienergebnisse, dass Jugendliche auch nach dem Verlassen der Schule politische Bildung und Förderung demokratischer Kompetenzen benötigten. Denn: Die meisten Skeptiker fanden sich laut Umfrage in der Altersgruppe der 18- bis 44-Jährigen. Mit zunehmendem Alter und Einkomme wachse das Zutrauen dann wieder.

Rechtspopulismus und Demokratiefeindlichkeit

Aber was sagen die Kinder und Jugendlichen selbst? Ein Schwachpunkt der Studie ist nämlich, dass die junge Generation nicht in dem Umfang zu ihrer eigenen Einschätzung der Demokratiekompetenz gefragt wurde. Und: Andere Studien ergaben in der Vergangenheit, dass gerade Kinder und Jugendliche im Vergleich mit anderen Alterskohorten die besten Abwehrreaktionen gegenüber Rechtspopulismus und Demokratiefeindlichkeit hätten.

So ergab etwa die ein Landesmonitor für Sachsen-Anhalt, dass Kinder und Jugendliche die größten Abwehrkräfte gegen Rechtsextremismus hätten. Denn viele wüchsen bereits in Schule und Nachbarschaft in einer heterogenen Gesellschaft auf. Die Problemgruppe mit Blick auf die Anfälligkeit für rechtsextreme Positionen seien beim Monitor vielmehr die berufstätigen Erwachsenen, sagte Kinderhilfswerk-Chef Krüger. Vielleicht kaprizierten sie ihre eigenen Zweifel an der Demokratie auf ihre Kinder, mutmaßte er. Und auch die Shell-Jugendstudie als eine der wichtigsten Untersuchungsreihen ergab zuletzt, dass die positive Einstellung junger Leute zur demokratischen Staatsform wachse. Allerdings ging das Vertrauen in demokratische Institutionen wie Parlamente und Organisationen wie Parteien eher zurück.

Was kann also getan werden? Das Kinderhilfswerk appelliert an Eltern, möglichst früh mit der Förderung von Demokratiekompetenz zu beginnen. Das sei manchmal anstrengend, mehr Mitbestimmung, das Teilen elterlicher Macht mit den Kindern und mehr Zutrauen in die Fähigkeiten der Jüngsten seien aber wichtige Mittel, sagte Krüger. Er regte daher auch an, das Wahlalter für Jugendliche bei Kommunalwahlen auf 14 und bei Bundestagswahlen auf 16 Jahre abzusenken.

(jd)
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