Koalitionsbildung in Hessen Koch will regieren - zur Not auch ohne Mehrheit

Wiesbaden/Berlin (RPO). Nach den Landtagswahlen vor einer Woche geht es in Hessen weiterhin drunter und drüber. Der noch amtierende Ministerpräsident Roland Koch hat nun angekündigt, zur Not auch ohne parlamentarische Mehrheit regieren zu wollen. Dieser Vorstoß sorgte im Lager der SPD für vehementes Kopfschütteln und Herbe Kritik.

Roland Koch am Montag nach der Wahlschlappe
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Die Sozialdemokraten sehen darin eine "Missachtung des Wählervotums". Derweil mehrten sich bei der SPD Stimmen, die erfolgreiche Spitzenkandidaten Andrea Ypsilanti auch mit den Stimmen der Linken als neue hessische Regierungschefin durchzusetzen.

Koch hatte zuvor sein Angebot an die SPD erneuert, über eine große Koalition zu verhandeln. Gleichzeitig erteilte er allen Überlegungen eine klare Absage, eine CDU-geführte Regierung könne es ohne ihn geben. Die Rücktrittsfrage sei nach einer Wahlniederlage "die erste Frage des Spitzenmannes an seine Partei", sagte Koch und fügte hinzu: "Die hessische CDU hat da eine klare Entscheidung getroffen."

Sollte es keine Mehrheit jenseits der CDU geben, sei er "derjenige, der einen aus der Verfassung erwachsenen Dienst leistet und dieses Land für eine Übergangszeit weiterführt", kündigte Koch an. Die hessische Landesverfassung sieht vor, dass der amtierende Ministerpräsident so lange geschäftsführend im Amt bleibt, bis der neue Landtag einen Nachfolger gewählt hat.

Das kann unter Umständen lange dauern: Als nach der Landtagswahl 1982 die damals regierenden Sozialdemokraten weiterhin stärkste Kraft, aber ohne eigene Mehrheit dastanden, führte Ministerpräsident Holger Börner (SPD) die Regierungsgeschäfte 18 Monate lang weiter.

Struck warnt den Landesvater

SPD-Bundestagsfraktionschef Peter Struck warnte Koch davor, ohne Landtagsmehrheit weiter zu regieren. Koch fehle nicht nur eine gesetzgebende Mehrheit im Landtag. "Er ist deutlich abgewählt worden, die Menschen in Hessen wollen Koch nicht mehr, deshalb wäre es eine Missachtung des Wählervotums, wenn er im Amt bliebe", betonte Struck.

Der frühere SPD-Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reinhard Höppner, riet Ypsilanti, auf die mögliche linke Mehrheit in Hessen zu setzen. "Redet miteinander ohne Tabus! Das Denken in Blöcken ist an sein Ende gekommen", betonte er. Im übrigen könne man die Linke nicht besser entzaubern, als sie mit in die Verantwortung zu nehmen. Der frühere Sprecher der SPD-Linken, Detlev von Larcher, rief Parteichef Kurt Beck auf, "endlich ein vernünftiges und partnerschaftliches Verhältnis zur Linkspartei herzustellen und nicht weiter einer Ampelkoalition mit den Liberalen in Hessen das Wort zu reden".

Die Liberalen lehnten die neuerliche Offerte der SPD unterdessen klar ab. Zugleich appellierte FDP-Generalsekretär Dirk Niebel an die Grünen, sich einer Koalition mit Union und FDP nicht zu verweigern. Eine solche Jamaika-Koalition sei zwar nicht gewollt, werde aber von der hessischen FDP ernsthaft geprüft. "Die Schicksalsfrage der Grünen ist, ob sie sich einsperren in ein linkes Lager oder nicht", hob Niebel hervor.

(afp)
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