Plagiatsverdacht Koch-Mehrin wirft hin

Berlin (RPO). Die FDP-Spitzenpolitikerin Silvana Koch-Mehrin tritt von allen politischen Ämtern zurück. Koch-Mehrin teilte am Mittwochabend in einer schriftlichen Erklärung mit, sie wolle mit diesem Schritt verhindern, dass ihre gesamte Familie durch die öffentliche Diskussion weiter belastet werde. Die Politikerin steht im Verdacht, für ihre Doktorarbeit abgeschrieben zu haben.

Das ist Silvana Koch-Mehrin
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Die FDP-Politikerin legte sowohl ihr Amt als Vorsitzende der FDP im Europäischen Parlament, als Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments und als Präsidiumsmitglied der FDP nieder.

"Ich hoffe, dadurch meiner Partei den Neuanfang mit einem neuen Führungsteam zu erleichtern", erklärte die 40-Jährige. Ihren Rücktritt vom Amt der Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments begründete sie damit, sie wolle "nicht in führender Position ein Ziel für Angriffe auf die einzige demokratisch legitimierte Institution der Europäischen Union" bieten. "Ich möchte mit diesem Schritt auch verhindern, dass meine gesamte Familie durch die öffentliche Diskussion weiter belastet wird", erklärte sie.

Zu ihrer Dissertation erklärte Koch-Mehrin, sie habe die Arbeit 1999 an der Universität Heidelberg eingereicht, und dort werde sie jetzt überprüft. Sie wünsche, dass diese Prüfung nun "vertraulich, fair, nach rechtsstaatlichen Maßstäben und ohne Ansehen der Person durchgeführt" und nicht dadurch belastet werde, dass sie herausgehobene Ämter innehabe.

Die Universität Heidelberg prüft derzeit Vorwürfe, Koch-Mehrin habe in ihrer Dissertation abgeschrieben. Wie schon im Fall Guttenberg hatten Plagiatsjäger aus dem Internet die Doktorarbeit der Vorzeige-Liberalen auseinandergenommen. Die gesammelten Ergebnisse sind auf der Online-Plattform "Vroniplag" dokumentiert. Demnach hat Koch-Mehrin mehr als ein Viertel der Dissertation abgeschrieben.

Erst zu Beginn der Woche waren Medienberichte aufgetaucht, die den Druck auf die 40-Jährige fraglos erhöht haben. Demnach plant die Universität Heidelberg, Koch-Mehrin den Doktortitel abzuerkennen: Die Hochschule habe ein förmliches Entziehungsverfahren gegen Koch-Mehrin eingeleitet, meldete der "Tagesspiegel" Montag unter Berufung auf Universitätskreise.

Grund seien mehrere festgestellte Plagiate in ihrer Dissertation zum Fach Wirtschaftsgeschichte, die als erheblicher Regelverstoß gewertet würden. Die Verleihung der Doktorwürde sei damit rechtswidrig gewesen und könne zurückgenommen werden. Koch-Mehrin hat in Heidelberg promoviert.

Die Universität wollte den Bericht allerdings nicht bestätigen. Die Promotionsordnung sehe zunächst die Möglichkeit einer Stellungnahme von Frau Koch-Mehrin vor, sagte Universtitätsdekan Manfred Berg. Erst danach werde es zur Bewertung der Plagiatsvorwürfe kommen.

Der Rückzug Koch-Mehrins erfolgt just an dem Tag, an dem ein weiterer Politiker mit den Folgen einer Plagiatsaffäre konfrontiert wurde. Am Mittwoch präsentierte die Universität Bayreuth den Prüfungsbericht zu den Plagiatsvorwürfen gegen den früheren Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU). Dem Bericht zufolge hat Guttenberg in seiner Doktorarbeit "vorsätzlich getäuscht".

Und nicht nur das. An diesem Mittwoch verlor zudem auch noch Edmund Stoibers Tochter, Veronica Saß, ihren Doktortitel. Weil sie abgeschrieben hatte. Die Universität Konstanz war nach "umfassender Prüfung" zu dem Schluss gekommen, dass erhebliche Teile der Arbeit Plagiate darstellten.

So weit ist der Befund bei Koch-Mehrin noch lange nicht. Inwieweit die heutigen Ereignisse Koch-Mehrin in ihrer Entscheidung beeinflusst haben mögen, bleibt eine offene Frage. Die FDP-Politikerin begründete ihren Rückzug mit ihrer Familie, die sie nicht weiter durch die öffentliche Diskussion über sie belasten wolle. Ein Schuldeingeständnis ist das nicht, eher ein indirekter Vorwurf an Plagiatsjäger und Medien. Schon in der Causa Guttenberg war immer wieder von einer Hetzjagd oder einem Kesseltreiben die Rede.

Möglicherweise sind die Plagiatsvorwürfe gegen sie tatsächlich unbegründet. Genauere Analysen der beanstandeten Passagen ließen bisher den Schluss zu, dass die Verstöße gegen die korrekte Zitierweise nicht derart gravierend waren wie bei Guttenberg. Vielleicht wollte Koch-Mehrin aber auch den Prüfern der Universität zuvor kommen. Das Verfahren der Universität Heidelberg läuft. Mit einer endgültigen Entscheidung in der Sache ist nicht vor Ende Mai, Anfang Juni zu rechnen.

(RTR/AFP/RP/pst)
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