Union und SPD Der Koalitionsvertrag steht

Berlin · Die Neuauflage der Großen Koalition ist ein riesiges Stück näher gerückt: In einer Marathonsitzung bis in den frühen Morgen einigen sich die Spitzen von Union und SPD auf einen Koalitionsvertrag. Der gesetzliche Mindestlohn soll stufenweise kommen. Die SPD setzte sich ebenfalls bei der Rente durch. Die Union blieb bei der Pkw-Maut hart. Ein weiterer Erfolg für CDU und CSU: Steuererhöhungen soll es nicht geben.

Die Chronologie der Verhandlungen
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Foto: afp, JOHN MACDOUGALL

Deutschland soll zum dritten Mal in seiner Geschichte von einer großen Koalition regiert werden. Nach einer 17-stündigen Marathonsitzung einigten sich die Spitzen von Union und SPD am frühen Mittwochmorgen in Berlin auf einen Koalitionsvertrag. Der Beschluss wurde anschließend in großer Runde gebilligt.

Zuvor hatten sich beide Seiten, wie unsere Redaktion berichtete, auf die Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns, Verbesserungen bei der Rente und die Erleichterung der doppelten Staatsbürgerschaft verständigt. Auch soll eine Pkw-Maut für Ausländer kommen. Auf Steuererhöhungen für neue Projekte will man verzichten.

Die gemeinsame Pressekonferenz der Parteichefs von CDU, CSU und SPD - Angela Merkel, Horst Seehofer und Sigmar Gabriel - sei für 12 Uhr angesetzt, hieß es am frühen Morgen aus Verhandlungskreisen. Die drei präsentieren das Vertragswerk in der Bundespressekonferenz in Berlin. Um 11.45 Uhr soll der Koalitionsvertrag auf der Fraktionsebene im Bundestag unterzeichnet werden.

SPD-Basis muss noch zustimmen

Das neue schwarz-rote Bündnis unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) steht allerdings unter dem Vorbehalt, dass die SPD-Basis in der ersten Dezemberhälfte in einer Mitgliederbefragung zustimmt. So lange soll die Aufteilung der Ministerien und ihre Besetzung offen gelassen werden, wie die dpa aus Verhandlungskreisen erfuhr. Wenn die insgesamt 475 000 SPD-Mitglieder grünes Licht geben, könnte Merkel in der Woche vor Weihnachten - am 17. Dezember - im Bundestag als Kanzlerin wiedergewählt werden.

Im Koalitionsvertrag soll festgeschrieben werden, dass von 2015 an keine neuen Schulden mehr gemacht werden. Union und SPD verständigten sich auch auf einen Finanzrahmen für zusätzliche Ausgaben und Investitionen bis 2017. Nach dpa-Informationen sollen für die Projekte einer schwarz-roten Koalition zusätzlich 23 Milliarden Euro ausgegeben werden. Merkel will den Vertrag an diesem Mittwoch gemeinsam mit den beiden anderen Parteichefs Sigmar Gabriel (SPD) und Horst Seehofer (CSU) präsentieren.

Mindestlohn kommt 2015

Einig wurde man sich über einen gesetzlichen Mindestlohn. In dem 185-Seiten langen Vertrag steht, dass der allgemeine gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro je Zeitstunde zum 1. Januar 2015 eingeführt wird. Ausnahmen sind bis zum 31. Dezember 2016 möglich, wenn die Tarifvertragsparteien davon abweichende Regelungen in einzelnen Branchen vereinbaren. Ab 1.Januar 2017 gilt der gesetzliche Mindestlohn dann für alle Arbeitnehmer in Deutschland.

Die Höhe des gesetzliche Mindestlohns soll dann laut Koalitionsvertrag erstmals zum 10. Juni 2017 für die Zeit ab dem 1. Januar 2018 von einer Tarifkommission festgelegt werden. In die Kommission entsenden Gewerkschaften und Arbeitgeber jeweils drei Vertreter. Gemeinsam bestimmen sie zusätzlich einen Vorsitzenden sowie je einen nicht stimmberechtigten Wissenschaftler. Werden sich beide Seiten über den Vorsitzenden nicht einig, entscheidet das Los, welche Seite den Vorsitzenden entsenden darf.

Der Rentenkompromiss sieht so aus, dass die von der SPD geforderte abschlagfreie Rente mit 63 Jahren nach 45 Beitragsjahren und die von der Union versprochene Besserstellung älterer Mütter, die vor 1992 Kinder bekommen haben, zum 1. Januar 2014 eingeführt werden. Ferner soll eine "solidarische Lebensleistungsrente" für Geringverdiener von bis zu 850 Euro pro Monat ab 2017 kommen.

Auch im Streit um die doppelte Staatsbürgerschaft erzielten beide Seiten eine Verständigung. Danach müssen sich in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern künftig nicht mehr bis zum 23. Geburtstag für einen der beiden Pässe entscheiden. Einen Kompromiss gab es auch bei der umstrittenen Vorratsdatenspeicherung.

Fünf Milliarden für Eingliederung von Behinderten

Der Bund soll die Kommunen "im Rahmen des Bundesteilhabegesetzes" bei der Eingliederungshilfe für Behinderte um jährlich fünf Milliarden Euro entlasten, heißt es im Koalitionsvertrag von Union und SPD. Einen Zeitpunkt für die Verabschiedung des Gesetzes nennt der Vertrag nicht. Bereits vor der Verabschiedung des Gesetzes werde aber der Bund die Kommunen um jährlich eine Milliarde Euro entlasten. Für die Behindertenhilfe geben die Kommunen im laufenden Jahr bereits 14,8 Milliarden Euro aus.

Für Investitionen in die öffentliche Infrastruktur will die künftige Koalition in der Legislaturperiode insgesamt fünf Milliarden Euro zusätzlich investieren.

Die Maut-Einigung wurde unterschiedlich gewertet. Während die CSU von einem Erfolg für sich ausging, wurde in Kreisen von CDU und SPD die Formulierung für den Koalitionsvertrag lediglich als Prüfauftrag gewertet. Bedingung soll sein, dass die Maut nur ausländische Autofahrer belastet und mit dem Europarecht vereinbar ist. Dazu soll 2014 ein Gesetz verabschiedet werden. Merkel hatte vor der Wahl erklärt, mit ihr werde es keine Pkw-Maut geben.

In der wichtigen Frage des Ausbauziels für erneuerbare Energien soll ein Ökostromanteil von 55 bis 60 Prozent bis zum Jahr 2030 angestrebt werden. Zuvor hatte die Union auf 50 bis 55 Prozent plädiert, die SPD hatte 75 Prozent als Ziel genannt. An der Zahl orientieren sich letztlich auch die Investitionsentscheidungen für neue Windparks, aber auch für neue konventionelle Kraftwerke.

SPD bekommt sechs Ministerien, CDU fünf, CSU drei

Fest steht, dass die SPD in einem schwarz-roten Kabinett unter Kanzlerin Merkel sechs Ministerien bekommen soll, die CDU fünf (plus Kanzleramtsminister) und die CSU drei. SPD und Union waren bereits zwischen 2005 und 2009 unter Merkel gemeinsam an der Regierung. Zuvor gab es zwischen 1966 und 1969 schon einmal eine große Koalition.

(dpa)
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