Interview mit Pirat Christopher Lauer "Koalitionen nicht mehr zeitgemäß"

Berlin · Der Pirat Christopher Lauer sprach mit unserer Redaktion über den Knatsch in der eigenen Partei, mögliche Bündnisse und die kommende Wahl in Nordrhein-Westfalen.

 Christopher Lauer hält wechselnde Koalitionen nach Sachfragen für interessanter als feste Bündnisse.

Christopher Lauer hält wechselnde Koalitionen nach Sachfragen für interessanter als feste Bündnisse.

Foto: dapd

Die Piraten in NRW wären 2010 wegen interner Streitereien fast zerbrochen. Wie blicken Sie auf die bevorstehende Landtagswahl?

Lauer Ich bin sehr beeindruckt wie der Landesverband NRW die Kurve gekriegt hat. Ich bin vorsichtig optimistisch, dass das jetzt in NRW klappt, sage den Leuten aber immer, dass sie mit null Prozent rechnen und sich nicht schon sicher im Parlament sehen sollen.

Schaden die aktuellen Debatten in der Führungsriege nicht der Partei?

Lauer Wir sind als Partei in der Vergangenheit auch nicht als Paradebeispiel für Geschlossenheit und Linientreue aufgefallen. Wenn es nicht mehr möglich ist
in der Partei öffentlich Dinge, die nicht gut laufen, zu kritisieren, sind wir nicht besser als die anderen Parteien. Wir sollten uns die lebhafte Debattenkultur erhalten. Wir wollen ja nicht, dass hinter verschlossenen Türen durch Machtausübung Politik vorgesetzt wird. Wir machen es uns selber schwer und ich finde das auch gut. Ich glaube nicht, dass diese Diskussion uns momentan schadet.

Wie stehen Sie zu einer Wiederwahl von Sebastian Nerz?

Lauer (lacht) Ich schweige vornehm.

Hätten Sie Interesse an dem Posten des Bundesvorsitzenden?

Lauer Ich habe schon für alle möglichen Dinge kandidiert und wurde nicht gewählt. Ich muss mir nicht mehr jeden Quatsch geben. Ich habe im Innen- und Kulturausschuss hier in Berlin viel zu tun. Ich glaube Bernd Schlömer wäre ein sehr guter Kandidat für den Posten des Bundesvorsitzenden.

Die Piraten müssen sich noch einige Themen und Positionen erarbeiten. Wie füllen Sie die Lücken?

Lauer Es muss Mitglieder geben, die die Themen antreiben. Wir machen nicht Politik, nach dem Motto 'Wir müssen noch zwei Prozent bei den Alleinerziehenden Müttern bekommen — für die brauchen wir jetzt noch ein Schmankerl.'

Die Sozialpiraten entwickeln gerade ein Rechenbeispiel für das bedingungslose Grundeinkommen, um zu zeigen, dass es so abgedreht gar nicht ist. Außerdem wollen wir das wirtschaftspolitische Profil der Partei stärken.

Wenn wir keine Ahnung von einem Thema haben, dann ist das keine Borniertheit oder Arroganz. Warum soll ich Ihnen als Politiker einen vom Pferd erzählen? Wir halten uns lieber zurück und informieren uns, und bilden uns dann eine Meinung.

Mit wem könnte die Piratenpartei koalieren?

Lauer Schwierig. Ich bin mir nicht sicher, ob das Modell der Koalition
überhaupt noch zeitgemäß ist. Wir haben im Berliner Abgeordnetenhaus eine Mehrheit für Mitte-Links. Wir sollten umdenken: Eine Positionierung nach Sachfragen innerhalb eines Parlamentes wäre deutlich belebender für die Demokratie. Sachbezogene Bündnisse zu schließen wie zum Beispiel in der Schweiz könnte hier vieles an verkrusteten Strukturen aufbrechen.

Ich glaube auch nicht, dass die Piratenpartei mit einer anderen Partei koalieren wird. Keine Partei möchte das Risiko eingehen mit den Piraten koalieren zu müssen. So wie das politische System gerade ist, kann das auch gar nicht funktionieren.

Das Interview führte Elfi Vomberg.

(RP/pst/csi)
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