Regelung auf Bundesebene angestrebt Koalition will kommerzielle Sterbehilfe verbieten

Berlin (RPO). Die künftige Bundesregierung will kommerzielle Sterbehilfe verbieten. "Die gewerbsmäßige Vermittlung von Gelegenheiten zur Selbsttötung werden wir unter Strafe stellen." Dies geht aus einem Entwurf des schwarz-gelben Koalitionsvertrags hervor, der am Freitag in Berlin bekannt wurde. Die Arbeitsgruppe Recht und Inneres hatte sich auf diese Formulierungverständigt.

Sterbehilfe in Europa
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Damit müssen sich die Union und die FDP, die in dieser Frage bisher auseinanderlagen, in der kommenden Legislaturperiode auf ein entsprechendes Gesetzgebungsverfahren einigen.

Ausgangspunkt für die Initiative sind die Aufsehen erregenden Fälle von assistiertem Suizid, wie sie die schweizerischen Gruppen "Dignitas" und "Exit" durchführen. In Deutschland sorgte vor allem der ehemalige Hamburger Justizsenator Roger Kusch für Schlagzeilen. Bis 2008 hatte er nach eigenen Angaben fünf Menschen gegen Zahlung von jeweils 8.000 Euro beim Suizid geholfen.

Unionsgeführte Länder hatten im Bundesrat bereits mehrfach versucht, die organisierte Beihilfe zur Selbsttötung zu verbieten. Das Saarland, Hessen und Thüringen forderten: "Wer ein Gewerbe betreibt oder eine Vereinigung gründet, deren Zweck oder Tätigkeit darauf gerichtet ist, anderen die Gelegenheit zur Selbsttötung zu gewähren oder zu verschaffen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft." Auch Bayern und Baden-Württemberg brachten einen Vorschlag ein. Bislang sind diese Initiativen aber ergebnislos geblieben.

Sollte Schwarz-Gelb auf Bundesebene nun eine Regelung anstreben, werden CDU und CSU wohl auf die Vorarbeit der unionsgeführten Länder zurückgreifen. Die Deutsche Hospiz Stiftung wertet das geplante Verbot als "mutige Entscheidung". "Dass dem Tod aus den Gelben Seiten endlich ein Riegel vorgeschoben werden soll, ist ein wichtiger Schritt", so der Vorstand der Patientenschutzorganisation, Eugen Brysch. Für ihn umfasst das geplante Verbot sowohl die kommerzielle Suizidbeihilfe im eigentlichen Sinn als auch eine wiederholte Hilfe zur Selbsttötung etwa durch ehrenamtliche Mitarbeiter von Sterbehilfeorganisationen.

Damit widerspricht er aber dem umstrittenen ehemaligen Hamburger Justizsenator. Denn dieser wertet die Pläne der Koalition als Sieg für das grundgesetzlich verbürgte Selbstbestimmungsrecht und äußert die Überzeugung, dass Organisationen nach dem Vorbild von "Dignitas" oder "Exit" damit in Deutschland auch weiterhin zulässig sind. Doch wer hat recht?

Immerhin beeilte sich die mögliche künftige Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), klarzustellen, dass sich die Einigung "ausschließlich auf die auf Gewinnerzielung angelegte Sterbehilfe" beziehe. Nichtkommerzielle Sterbehilfe-Organisationen sollten demnach erlaubt bleiben. Unionsfraktions-Vize Wolfgang Bosbach (CDU) hebt demgegenüber auf das "gewerbsmäßig" ab. Dazu brauche es noch keine Gewinnerzielung. Zudem scheint auf beiden Seiten ein unterschiedliches Verständnis des Begriffs "Sterbehilfe" vorzuliegen.

Schon 2005 hatte Leutheusser-Schnarrenberger in der Auseinandersetzung um Kusch der Tageszeitung "Die Welt" erklärt, dass der freie Wille von Schwerstkranken "bis zum Schluss Priorität" haben müsse. Daher befürworte sie Überlegungen, "in ganz schweren Fällen aktive Sterbehilfe zuzulassen".

Damit dürfte in dem Thema für eine künftige Koalition Konfliktstoff liegen. Für den Lehrbeauftragten für Medizinrecht an der Universität Heidelberg, Rainer Beckmann, lässt sich jedenfalls aus der Formulierung der Koalitionsvereinbarung noch keine Klarheit über die rechtliche Entwicklung gewinnen. "In welche Richtung es tatsächliche geht, wird sich erst in der konkreten Formulierung erweisen", so der Jurist auf Anfrage.

(KNA/awei)
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