Nach Gerichtsurteil Koalition streitet um Hartz-IV-Neuregelung

Berlin (RPO). Hartz-IV-Empfänger bekommen Leistungen vom Bund und von den Kommunen. Die Arbeitsteilung ist verfassungswidrig, so ein Gerichtsurteil. Jetzt streitet die Große Koalition über die Neuordnung. Union-Fraktionschef Kauder will die Kommunen stärken, SPD-Arbeitsminister Scholz den Bund. Doch die Landkreise wollen künftig lieber ohne den Bund im Nacken arbeiten.

Was sich Hartz-IV-Empfänger nicht gefallen lassen müssen
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Foto: ddp

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Arbeitsmarktreform Hartz IV sprach sich Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) dafür aus, bei der nun fälligen Hartz-IV-Verwaltungsreform die Kommunen zu stärken. „Sie könnten diese Aufgabe auch durchaus gut leisten. Aber nicht alle Länder und auch nicht alle Kommunen wollen diese Aufgabe alleine machen", sagte Kauder der "Passauer Neuen Presse".

Laut Gerichtsurteil sind die zwischen den Kommunen und der Bundesagentur für Arbeit (BA) gebildeten Arbeitsgemeinschaften mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Die Richter forderten eine gesetzliche Neuregelung bis zum 31. Dezember 2010. Laut Statistik sind in Deutschland zurzeit rund 2,5 Millionen Menschen länger als ein Jahr arbeitslos.

Die bisherige Regelung sieht vor, dass der Bund Sozialleistungen in Höhe von monatlich 345 Euro an Langzeitarbeitslose auszahlt und mit Hilfe der Jobcenter den Betroffenen eine neue Arbeitsstelle vermittelt. Die Kommunen kommen für Wohnungsmiete und Wohnbetriebskosten auf.

Streit um Kompetenz

Dagegen setzt sich Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) dafür ein, dass der Bund weiterhin für die Vermittlung von Langzeitarbeitslosen zuständig bleibt. Er könne sich aber "eine möglichst dezentrale Lösung" vorstellen. Die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Aufgabentrennung bei der Betreuung der Arbeitslosengeld-II-Empfänger werde am ehesten von einem Modell erfüllt, das in 21 Landkreisen bereits praktiziert wird, so Scholz.

Die Landkreise wollen die Arbeitsvermittlung ohne den Bund organisieren. Scholz (SPD) gebe das ursprüngliche Ziel der Hartz IV-Reform auf, wenn er nun das Modell der "getrennten Trägerschaft" von Arbeitsagenturen und Sozialämtern favorisiere, sagte der Präsident des Deutschen Landkreistags (DLT), Jörg Duppré, am Freitag. Ziel der Reform sei es gewesen, "Arbeitsvermittlung und soziale Hilfe in einer Hand zu haben".

DLT-Präsident Duppré zeigte sich zuversichtlich, dass die Landkreise und kreisfreien Städte "bei gesicherter Finanzierung" künftig die Aufgabe ohne die Bundesagentur für Arbeit schultern können. Die Erfahrungen der Bundesagentur bei der Vermittlung von Langzeitarbeitslosen könnten dazugekauft werden.

"Nicht besonders effektiv"

Auch der nordrhein-westfälische Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) plädierte für eine stärkere Regionalisierung. Laumann kritisierte, die Hartz IV-Organisation sei in den vergangenen Jahren "nicht besonders effektiv" gewesen. Die 69 Optionskommunen in Deutschland hätten bewiesen, dass es bei der Arbeitsvermittlung kommunal gehe. Scholz hingegen wolle mehr Zentralismus. "Das ist von gestern, das hat keine Zukunft", kritisierte der CDU-Politiker. Er mahnte eine rasche Lösung an. Andernfalls drohe Stillstand in den Arbeitsgemeinschaften (Argen).

CSU-Chef Erwin Huber schloss sich dem Aufruf an. "Ich bin dafür, dass wir umgehend dazu Gespräche innerhalb der Koalition aufnehmen und das schon bei der nächsten Sitzung des Koalitionsausschusses erörtern", sagte der CSU-Chef der "Berliner Zeitung". Klar sei, dass die Arbeitssuchenden nicht die Leidtragenden sein dürften." Beim Service und den Unterstützungsangeboten für Langzeitarbeitslose müsse der Standard in jedem Fall gehalten werden, betonte der CSU-Vorsitzende. Huber wie Laumann dringen auf eine schnelle Entscheidung in der Koalition.

Warnung vor politischen Schnellschüssen

Heinrich Alt, im BA-Vorstand unter anderem für Hartz IV-Empfänger zuständig, warnte jedoch vor politischen Schnellschüssen. "Die Politik muss uns und den Kommunen genügend Zeit lassen, die neue Welt vorzubereiten", sagte er. Alt warb dafür, im Interesse der Kunden "eine neue Zusammenarbeit mit den Kommunen zu finden". "Bis auf den institutionellen Rahmen - also Geschäftsführer und Arge-Vertrag - kann man das alte Modell retten." Sein Vorschlag: "Statt des rechtlichen Mantels der Argen könnte man den neuen Mantel einer Kooperationsvertrages wählen." Dies bringe Klarheit und Transparenz.

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