Von Steuern bis Energie Koalition der Streithähne

Berlin (RP). Bundeskanzlerin Angela Merkel gelingt es nicht, die Auseinandersetzungen im Regierungsbündnis zu stoppen. Seit neun Monaten streiten Union und FDP über Gesundheitsreform, Energiekonzept, Wehrpflicht und Steuerreform.

Merkels Großbaustellen
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Foto: AFP

Es ist erst zwei Wochen her, da hat Angela Merkel mit seltener Entschiedenheit an einem ihrer einflussreichsten Parteifreunde ein Exempel statuiert: Vor der gesamten CDU/CSU-Fraktion watschte die Kanzlerin den Chef des Parlamentskreises Mittelstand, Michael Fuchs, für seine öffentliche Kritik am Koalitionsbeschluss zur Gesundheitsreform ab. Warum es immer gleich ein Superlativ sein müsse, attackierte sie Fuchs, der die zuvor beschlossene Anhebung der Arbeitgeberbeiträge zur Krankenversicherung als "tödliches Spiel für Arbeitsplätze" gegeißelt hatte.

Doch die Kanzlerin ermahnte die Unionsabgeordneten und zuvor auch die FDP-Fraktion vergeblich zum maßvolleren Umgang miteinander. Bundesministerien, Fraktionen und selbst Parteifreunde untereinander streiten wieder so, als hätte es den Appell der Chefin nie gegeben. Die SPD macht bei Merkel längst einen Autoritätsverlust in Regierung und Koalition aus.

Diesmal ist es das Sparpaket, das die Regierung auf einer 14-stündigen Klausur Anfang Juli selbst beschlossen hatte, das die Koalitionäre wieder auseinanderbringt. Dem neuerlichen Disput geht in den neun Monaten seit dem schwarz-gelben Regierungsantritt eine Reihe von Streitigkeiten voraus, die Anfang Juni darin gipfelten, dass sich Union und FDP in beispielloser Art beschimpften. Gesundheits-Staatssekretär Daniel Bahr (FDP) bezeichnete die CSU als "Wildsau", CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt nannte die FDP darauf "Gurkentruppe".

Gesundheitspolitik CSU-Chef Horst Seehofer hatte Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) Anfang Juni gnadenlos auflaufen lassen, als dieser meinte, ein für alle Seiten tragbares Modell zur Einführung einer Mini-Kopfpauschale gefunden zu haben. Rösler fuhr eigens nach München, um dem heimlichen Gesundheitsminister seine Pläne vorzustellen. Seehofer signalisierte Rösler kein Veto, spielte aber am Tag darauf den Medien zu, dass die CSU die Pläne nicht mittragen werde. Rösler war brüskiert.

Im zweiten Anlauf konnte er einen Kompromiss zwar zunächst durchsetzen. Neben Beitragssteigerungen und Einsparungen bei Ärzten, Kliniken und Arzneimitteln soll nun das System der Zusatzbeiträge der Krankenkassen zu einer Art Mini-Kopfpauschale ausgebaut werden. Doch Seehofer stichelt schon wieder gegen Rösler. Anfang dieser Woche attackierte er via "Bild"-Zeitung Röslers Pläne für Hausärzte.

Energiepolitik Der Streit über die Verlängerung der Laufzeiten der 17 deutschen Atomkraftwerke gärt, seitdem Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) Anfang Februar die eigene Partei und die FDP mit Plänen aufgeschreckt hatte, die Meiler nur acht Jahre länger am Netz zu lassen. Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) und die CDU-geführten Atom-Bundesländer laufen Sturm gegen Röttgen und wollen Laufzeiten von 15 Jahren und mehr.

Zudem streiten die Koalitionäre um die Abschöpfung der Zusatzgewinne bei den Energiekonzernen. Brüderle will den Konzernen vier bis fünf Milliarden Euro jährlich abnehmen, Seehofer nur zwei.

Wehrpflicht Während die Liberalen die Wehrpflicht ganz abschaffen wollen, lässt Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) drei Szenarien zur Zukunft der Bundeswehr durchrechnen, unter denen keines die Abschaffung der Wehrpflicht vorsieht.

Steuerreform Kein Thema hat die Koalition in den letzten neun Monaten mehr zermürbt. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) peilt Entlastungen erst nach dieser Wahlperiode an, doch die FDP beharrt auf früheren Steuersenkungen. "Wir brauchen die Entlastung vor der nächsten Bundestagswahl, damit die Leute wissen, was wir Gutes für sie getan haben", sagte Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) unserer Redaktion.

Zur Gegenfinanzierung will Niebel die reduzierten Mehrwertsteuersätze überprüfen, auch den für Übernachtungen, der auf Druck von FDP und CSU erst eingeführt wurde: "Dass wir den reduzierten Satz für Hotels isoliert eingeführt haben, statt ihn in das Gesamtkonzept zu integrieren, war ein politischer Fehler."

(RP)
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