Große Harmonie bei CSU-Klausur Es fehlte nur noch ein Herz im Schnee

Die Symbole der Eintracht zwischen CDU und CSU fielen in Seeon derart dick aus, dass man sich kaum noch gewundert hätte, wenn der CSU-Landesgruppenchef und die CDU-Vorsitzende ein großes Herz mit einem doppelten A in den Schnee gestampft hätten. Für Alexander und Annegret.

Freitag Abend, 21.07 h. Im Hinterzimmer des Restaurants „Oberwirt“ im oberbayerischen Obing sitzen Journalisten in der Erwartung des CSU-Landesgruppenchefs. Er will ihnen vertraulich seine Sicht auf die Welt, vor allem die auf Koalition und CSU erläutern. Hintergrundgespräche werden diese Treffen genannt, die der besseren Einordnung von Beweggründen dienen. Berichtet wird nicht darüber. Es soll ja vertraulich bleiben. Doch dieses Mal macht die CSU selbst eine Ausnahme und postet schon eine Viertelstunde später ein Bild in ihren öffentlichen Twitter-Kanal. So sehr freut sich Alexander Dobrindt über die gelungene Überraschung. Denn er ist nicht allein gekommen, hat die neue CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer gleich mitgebracht.

Auch die Bilder vom gemeinsamen Glühweintrinken sollen das neue geschwisterliche Verhältnis zwischen CDU und CSU illustrieren. Am Samstag Morgen läuten Alexander und Annegret sogar Hand in Hand die Glocke zur Eröffnung des letzten Klausurtages. Wäre da nicht der Hinweis der CSU auf die Abfolge beim Finden einer Kanzlerkandidatin, wonach das Zugriffsrecht der CDU-Vorsitzenden darauf „keinen Automatismus“ bedeute, man könnte fast auf den Gedanken kommen, dass hier zwei befreundete Parteien die Fusion angehen wollen.

Die beiden Akteure machen aber schnell klar, dass die Union aus CDU und CSU immer gut gefahren sei, wenn sie eine Bandbreite politischer Konzepte angeboten und sich in ihren unterschiedlichen Positionierungen akzeptiert habe. Die CSU hat ihren Part für 2019 bereits erfüllt und bei ihrer Klausur in Seeon nach dem Erschrecken über die gewalttätigen Asylbewerber von Amberg eine scharfe Sprache gewählt. Nachdem die Möglichkeit zur Abschiebung von verurteilten Straftätern von drei auf ein Jahr Haft gesenkt worden war, will die CSU das nun auf ein halbes Jahr reduzieren. Abschiebung soll auch schon während der Haft erfolgen, spätestens jedoch nach der Entlassung unmittelbar „vom Gefängnistor direkt zum Abfluggate“ führen. Fußfesseln für Menschen ohne Schutzstatus, Haftverbüßung auch im Herkunftsland, mehr Zuständigkeiten für die Bundespolizei sind weitere Stichworte.

Da ist keine CDU-Vorsitzende, die zur Mäßigung ruft. Als Innenministerin im Saarland zog auch Kramp-Karrenbauer die scharfe Sprache vor, und nachdem jede kritische Betrachtung der Flüchtlingspolitik von 2015 leicht als Kritik an Angela Merkel interpretiert wurde und deshalb in der Lautstärke regelmäßig heruntergedimmt wurde, ruft AKK, wie Kramp-Karrenbauer sich auch selbst abkürzt, nun für Anfang 2019 zum „Werkstattgespräch“, in dem auch die Migrationsdynamik von 2015 und der Umgang damit aufgearbeitet werden soll. In Seeon lädt AKK die CSU ein, daran mit ihren Fachleuten mitzuwirken.

Die Auseinandersetzungen des letzten Sommers, die fast zur Spaltung der Union und zum Sturz der Regierung geführt hätten, bezeichnet Kramp-Karrenbauer als „Blick in den Abgrund“. Es sei ein „heilsamer Blick“ gewesen, stellt sie fest. Dobrindt mag das Bild vom Abgrund nicht, auch wenn man sich gegenseitig „viel zugemutet“ habe. Das sei aber nicht das erste Mal gewesen - und „vielleicht auch nicht das letzte Mal“.

Einstweilen ist Harmonie aus Wahlkampfgründen angesagt. Die Europawahlen und etliche Kommunalwahlen sind schon im Frühjahr. Da soll es keinen Zweifel an den gemeinsamen Positionen der Union geben. In Seeon wird der gemeinsame Spitzenkandidat Manfred Weber herausgestellt. Im dichten Schneetreiben bemüht er sich wacker um klare Sicht auf sein Programm, auch wenn der Schnee sich auf Haaren, Jacken, Brillen, Mikros und Kameras häuft. Er werde als möglicher EU-Kommissionspräsident die Beitrittsgespräche mit der Türkei beenden, kündigt der Fraktionschef der EVP-Fraktion an. Zugleich warnt er vor den Ambitionen der AfD, die auf ihrem Parteitag über einen Austritt aus der EU nachdenken wolle und sich deshalb als „deutsche Brexit-Partei“ entlarvt habe.

Einig sind sich CDU und CSU, dass sie in der Koalition die SPD stellen wollen, wenn diese im Herbst die „Revisionsklausel“ zieht, also in einer Zwischenbilanz bewerten wird, ob und wie es mit der Koalition in Berlin weiter gehen soll. Auch die Union will dann den Koalitionsvertrag überarbeiten und etwa die Abschaffung des Soli hineinschreiben, weil der - so Dobrindt - nicht mehr auf den Gehaltszettel der Bürger sondern ins Geschichtsbuch der Republik gehöre.

Zum Abschluss hat sich AKK für die Schwesterparteien ein familiäres Bild überlegt: Auch unter Geschwistern streite man sich, „aber wenn die Nachbarkinder kommen, halten wir zusammen“. Wie weit dieses Bild trägt, werden CDU und CSU noch untereinander ausmachen müssen. Dobrindt versucht die Union nämlich strategisch nicht mehr nur gegen die extremen Linken und Rechten zu positionieren, er verschärft in seinen Gedanken um die Zukunft der Volksparteien auch den Kurs gegenüber den Grünen und packt sie zusammen mit den Linken und der AfD zu den „Angstparteien“. Kramp-Karrenbauer hat dagegen gute gemeinsame Regierungserfahrungen mit den Grünen im Saarland und für eine Jamaika-Koalition aus Union, FDP und eben auch den Grünen geworben.

Doch erst einmal wird der Weihnachtsfrieden zwischen CSU und CDU um weitere zwei Wochen verlängert: Kramp-Karrenbauer hat in Seeon zugesichert, beim CSU-Parteitag am 19. Januar dabei zu sein, wenn Markus Söder zum Nachfolger von Horst Seehofer als CSU-Chef gewählt wird. Vielleicht wird es dann ja was mit dem Herz im Schnee. Mit A für Annegret und M für Markus. Aber da bestünde Verwechslungsgefahr mit A wie Angela und M wie Merkel.

(may)
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