Alarmierender Klimabericht der Bundesregierung Deutschland hat sich bereits um 1,5 Grad erwärmt

Belrin · Vertrocknete Ernten und Wälder, Niedrigwasser in Flüssen, Sturmfluten an der Küste: Die Deutschen bekommen den Klimawandel einem Bericht der Bundesregierung zufolge in vielen Bereichen zu spüren.

 Verstaubte Felder in Sachsen. Die Aufnahme stammt aus dem Dürresommer 2018.

Verstaubte Felder in Sachsen. Die Aufnahme stammt aus dem Dürresommer 2018.

Foto: dpa/Jan Woitas

Infolge des Klimawandels ist die durchschnittliche Temperatur in Deutschland in den vergangenen fünf Jahren um 0,3 Grad Celsius gestiegen. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) stellte am Dienstag in Berlin den zweiten Monitoringbericht der Bundesregierung vor, wonach sich die mittlere Lufttemperatur in Deutschland seit Beginn der Wetteraufzeichnungen 1881 bis 2018 um 1,5 Grad erhöht hat. Dadurch kommt es demnach zu Hitzewellen, niedrigen Grundwasserständen und massiven Ernteausfällen. Der Befund sei „sehr eindeutig“, sagte Schulze. „Der Klimawandel verändert das Wetter immer spürbarer.“

2013 sei man noch von 1,2 Grad ausgegangen. „Es ist nicht auszudenken, was es bedeuten würde, wenn sich das in dieser Geschwindigkeit wirklich fortsetzen würde.“ In dem Bericht werden die Folgen etwa für Gesundheit, Landwirtschaft sowie Wälder, Flüsse, Verkehr und die Wirtschaft untersucht.

Die Zahl der heißen Tage mit 30 Grad und mehr nimmt demnach zu: Seit 1951 von im Mittel etwa drei pro Jahr auf derzeit rund zehn – 2018 waren es sogar mehr als 20. Die Sommer 2003, 2018 und 2019 waren die wärmsten seit Beginn der Aufzeichnungen.

Nicht immer sei klar, welchen Anteil der Klimawandel an Veränderungen habe, denn es spielten verschiedene Faktoren zusammen, räumen die Autoren des Berichts ein, an dem Bundes- und Landesbehörden, Universitäten und Fachverbände mitgearbeitet haben. Trends sind demnach aber klar erkennbar.

So steigt die Sterblichkeit in Jahren mit vielen Hitzetagen, Allergiker und Asthmatiker leiden vermehrt unter Pollen. Flüsse führen im Sommer häufiger weniger Wasser, als bisher normal war – mit Folgen für die Wasserversorgung etwa von Kraftwerken und die Schifffahrt. Für Land- und Forstwirte steigt das Ertragsrisiko. Steigende Meeresspiegel auch der Nord- und Ostsee steigern die Gefahr von Sturmfluten und Küstenerosion. Schulze mahnte: „Beim Klimaschutz geht es eben nicht nur um Gletscher und Eisbären, es geht auch um unsere Lebensgrundlagen hier in Deutschland.“

Der Leiter der Abteilung Klima und Umweltberatung des Deutschen Wetterdienstes, Tobias Fuchs, erinnerte daran, dass 2018 in Deutschland bisher das wärmste Jahr seit 1881 gewesen sei. Es gebe eine beunruhigende Beschleunigung des Temperaturanstiegs. Durch natürliche Ursachen sei diese nicht erklärbar. „Es wird rasant wärmer, mehr Hitzewellen bedrohen unsere Gesundheit, jeder muss mit Schäden durch heftigeren Starkregen rechnen“, sagte Fuchs. Bei einem „weiter-wie-bisher“-Szenario droht nach seinen Worten ein Temperaturanstieg bis Ende dieses Jahrhunderts um 3,1 bis 4,7 Grad. Bei einer konsequenten Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen könne dieser auf 0,9 bis 1,6 Grad begrenzt werden.

Seit 1951 ist laut Bericht die Zahl der heißen Tage mit mehr als 30 Grad von etwa drei auf derzeit etwa zehn Tage pro Jahr gestiegen. Im Jahr 2015 seien rund 6000 Menschen mehr gestorben als ohne Hitzeperiode zu erwarten gewesen wäre, hieß es. In den vergangenen zehn Jahren habe es immer häufiger niedrige Grundwasserstände gegeben, die in einigen Gemeinden bereits zu Problemen mit der Trinkwasserversorgung führten. Die Schifffahrt werde dadurch eingeschränkt und die Versorgung von Kraftwerken mit Kühlwasser gefährdet. Tiere und Pflanzenarten aus wärmeren Regionen breiteten sich aus: Dazu gehöre die Asiatische Tigermücke, die Tropenkrankheiten wie Denguefieber übertragen könne.

Ähnlich alarmierend fällt eine Studie aus, die am Dienstag in Genf vom Umweltprogramm Unep vorgestellt wurde. Die Länder müssen ihre Anstrengungen im Kampf gegen den Klimawandel immens verstärken, wenn sie gemeinschaftlich das 1,5-Grad-Ziel erreichen wollen. Wenn die Weltbevölkerung so weiterlebe wie aktuell, drohe die Temperatur bis zum Ende des Jahrhunderts um 3,4 bis 3,9 statt wie angestrebt um nur 1,5 Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu steigen. Warnungen mit ähnlichen Daten hatte es in den vergangenen Wochen schon mehrfach gegeben, etwa im „Brown to Green“-Report, vorgestellt vom Netzwerk Climate Transparency.

Im Pariser Klimaabkommen haben sich fast alle Länder der Welt vorgenommen, die Erderhitzung auf deutlich unter zwei Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen - viele Staaten und Experten halten das 1,5-Grad-Ziel für notwendig. Um knapp ein Grad hat sich die Erde schon erwärmt.

(cka/dpa/epd)
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