Klimawandel und psychische Gesundheit Mehr psychische Erkrankungen mit jedem Grad Temperaturanstieg

Berlin · Der Klimawandel wirkt sich direkt und indirekt auf die psychische Gesundheit aus. Gleichzeitig gelten Menschen mit psychischen Erkrankungen als besonders von der Klimakrise gefährdet. Welche Symptome der Klimawandel verstärkt und welche politischen Handlungsempfehlungen Experten formulieren.

 Naturkatastrophen wie die Flutkatastrophe im Ahrtal im vergangen Jahr verstärken psychische Erkrankungen direkt oder indirekt.

Naturkatastrophen wie die Flutkatastrophe im Ahrtal im vergangen Jahr verstärken psychische Erkrankungen direkt oder indirekt.

Foto: dpa/Boris Roessler

Der Klimawandel ist nicht nur eine Gefahr für die körperliche Gesundheit – auch die Psyche wird von steigenden Temperaturen, Luftverschmutzung und Wetterextremen beeinflusst. „Mit jedem Grad mehr steigt das Risiko für psychische Erkrankungen um 0,9 Prozent. Das bedeutet für Deutschland schon jetzt rund eine Million Erkrankte, die wir sonst nicht hätten“, erklärt Andreas Meyer-Lindenberg, Direktor des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit in Mannheim, bei der Vorstellung der „Berliner Erklärung zu Klimawandel und psychischer Gesundheit“ am Mittwoch in Berlin.

Um die Gefahren für die mentale Gesundheit zu erforschen, hat die deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (dgppn) die Arbeitsgruppe „Klima und Psyche“ gegründet. In der Erklärung fassen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den aktuellen Stand der Forschung zusammen.

„Der Klimawandel ist die größte Gesundheitsbedrohung des 21. Jahrhunderts“, sagt Eckart von Hirschhausen, Arzt und Wissenschaftsjournalist, der die Vorstellung am Mittwoch moderierte. Durch den Klimawandel entstehen neue Ängste und Sorgen, welche zu psychischen Erkrankungen führen können. So zeigte sich beispielsweise nach dem Hurrikan Katrina im Jahr 2005, dass fast jeder dritte Bewohner New Orleans Symptome einer Posttraumatischen Belastungsstörung hatte. Aber auch indirekte Folgen des Klimawandels wie Migration, wirtschaftliche Krisen und soziale Ungleichheit beeinflussen die psychische Gesundheit, so Andreas Heinz, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Charité.

Daneben werden auch Hitze und Luftverschmutzung zur Bedrohung, etwa durch Stress, Konzentrationsschwierigkeiten oder einer Zunahme von Aggressivität. „Bei einer Zunahme von Hitzewellen gibt es auch eine Zunahme psychischer Erkrankungen“, sagt Heinz. Psychische Erkrankungen seien wichtige Risikofaktoren für hitzebedingte Todesfälle. „Bei einer Hitzekrise steigt die Sterblichkeit um das dreifache“, sagt Meyer-Lindenberg und ergänzt: „Menschen, die schon psychische Probleme haben, sind besonders vulnerabel.“ Bei Luftverschmutzung verhalte es sich zudem so, dass eine höhere Belastung durch Feinstaub auch eine höhere Suizid-Zahl mit sich bringe, so Heinz.

Die dgppn rechnet mit einem erhöhten Behandlungsbedarf für Psychiatrie und Psychotherapie. Darüber hinaus müsse jedoch auch den Helfenden geholfen werden. „Es zeigt sich eine Traumatisierung der helfenden Berufe“, sagt Hirschhausen. Eine Angst vor der Klimakrise könne nicht mit dem gleichen Handwerkszeug behandelt werden, wie beispielsweise eine Höhenangst. „Wir sind nicht vorbereitet auf einen Anstieg psychischer Erkrankungen“, bestätigt Mazda Adli, Chefarzt an der Fliedner Klinik Berlin. Deshalb fordert die dgppn, dass der Mehrbedarf berücksichtigt wird, die Werte für Feinstaubbelastung gemäß der neuen WHO-Richtwerte angepasst werden, Hitze-Aktionspläne eingeführt werden, aber auch dass grüne Erholungsflächen gerecht verteilt und für alle zugängig gemacht werden.

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