Klimawandel in Deutschland Immer heißer, immer öfter

Düsseldorf · Einzelne Extremwetter-Ereignisse wie die derzeitige Hitzeperiode lassen zwar keine Rückschlüsse auf den Klimawandel zu, doch sind sich die Forscher weitgehend einig: Heftige Hitzephasen und Starkregen werden häufiger.

 Vertrocknete Maispflanzen auf einem Feld bei Dortmund.

Vertrocknete Maispflanzen auf einem Feld bei Dortmund.

Foto: dpa/Ina Fassbender

Bei Temperaturen nicht weit der 40 Grad entfernt ächzten weite Teile Deutschlands in den vergangenen Tagen unter der Hitze. Die Bäume warfen ihre Blätter ab wie im Herbst, die Felder vertrockneten, Mensch und Tier schielten nur auf das nächste schattige Plätzchen. Weizen wurde um 25 Prozent teurer, während die Preise für Fleisch in manchen Regionen kurzzeitig sanken, weil Vieh aufgrund mangelnden Futters früher geschlachtet werden musste.

Ursache dieser heftigen Trockenphase ist unter anderem ein hartnäckiges Hochdruckgebiet, das sich über Großbritannien und Skandinavien breitgemacht hat. Regenbringende Tiefdruckgebiete prallen daran ab und werden so in weiten Schleifen um den Kontinent herumgeleitet. Eine morgendliche Fernsehshow verdeutlichte diesen Effekt, indem man einen „Reporter“ in Football-Kluft gegen eine ebenso gekleidete, aber durchaus breitere menschliche Abwehrreihe laufen ließ. Albern, ja, traf das Geschehen über unseren Köpfen aber ganz gut.

Glücklicherweise sollen die Temperaturen nun wieder etwas sinken. Die heißen Tage brachten Deutschland zwar nicht an den Rand eines nationalen Notstandes, doch kann man sich ausmalen, was eine längere und ebenso heiße Trockenzeit für Mensch und Tier in unseren Breitengraden bedeuten würde. Aber waren die Wetterereignisse der vergangenen Tage nur ein Ausrutscher in einem eigentlich eher gewöhnlichen Sommer? Oder sind es Symptome des Klimawandels, den der Poltergeist im Weißen Haus so gerne leugnet?

Mit dem Wetter ist es so eine Sache. Zahlreiche Bauernweisheiten wie „Gibt‘s im Juni Donnerwetter, wird g‘wiss das Getreide fetter“ erwecken den Eindruck, man könne das Wetter leicht vorhersagen. Wenn A im Zeitraum B eingetreten ist, dann folgt daraus C. So einfach ist es nur leider nicht. Das Wetter für eine gesamte Woche genau vorherzusagen, ist für Meteorologen schon eine Herausforderung. Da wundert es nicht, dass sich die Forscher schwer damit tun, Wetterereignisse wie einzelne Hitzeperioden und Starkregen dem Klimawandel zuzuschreiben.

Trotzdem ist sich die Wissenschaft weitgehend einig: Extremes Wetter wird häufiger. „Was einst als ungewöhnlich warmes Wetter galt, wird ganz normal – in einigen Fällen ist das schon jetzt so“, kommentierte jüngst Friederike Otto von der Universität Oxford die Ergebnisse einer Studie des Netzwerks World Weather Attribution, das sich mit dem Zusammenhang von Klima und Wetter beschäftigt.

Die Wissenschaftler haben Daten aus insgesamt sieben Wetterstationen in Dänemark, Irland, den Niederlanden, Norwegen, Finnland und Schweden untersucht. Sie wählten diese Stationen aus, weil sie Daten in Echtzeit lieferten und über digitalisierte Archive verfügten, die teils bis in die frühen Jahre des 20. Jahrhunderts zurückreichten. Die Forscher schauten sich die wärmsten drei aufeinanderfolgenden Tage eines jeweiligen Jahres an und ermittelten, ob sich ein Trend aus den Daten ablesen lässt. Für vier nördliche Stationen waren Wahrscheinlichkeiten schwer zu berechnen, da die Temperaturen von Jahr zu Jahr sehr schwankten. Aber für drei Stationen weiter südlich – in den Niederlanden, Dänemark und Irland – fanden die Forscher einen Zusammenhang.

Die Berechnungen zeigten demnach, „dass der Klimawandel allgemein die Chance auf die derzeitige Hitzewelle mehr als verdoppelt hat“, sagte Geert Jan van Oldenborgh vom Royal Netherlands Meteorological Institute. Die Forscher gingen bei ihren Untersuchungen also den umgekehrten Weg. Sie fragten nicht, ob ein bestimmtes Wetterereignis auf den Klimawandel zurückzuführen ist, sondern ob die globale Erwärmung Extremwetterlagen begünstigt. Die Antwort lautet: ja.

Dass es auf unserem Planeten langsam, aber stetig wärmer wird, ist freilich kein natürlicher Prozess. Er ist menschengemacht. Seit Beginn der Industrialisierung pusten Fabriken und Fahrzeuge vermehrt Kohlenstoffdioxid (CO2) und andere Gase in die Atmosphäre. Es entsteht der bekannte Treibhauseffekt. In Europa und den USA ist es in den vergangenen Jahren gelungen, den CO2-Ausstoß zu senken, allerdings nur in geringem Maße. Die Schätzungen reichen von 0,2 bis 0,4 Prozent im Jahr 2017. Das genügt nicht, um dem weltweiten CO2-Ausstoß etwas entgegenzusetzen.

Laut Zahlen der US-Atmosphärenbehörde Noaa sind die Jahre 2014 bis 2017 die vier wärmsten seit dem Beginn der Wetteraufzeichnung. Der Meeresspiegel ist zum sechsten Mal in Folge gestiegen. Er liegt nun um 7,7 Zentimeter höher als vor 25 Jahren. Und die Gletscher der Erde haben zum 38. Mal in Folge an Masse verloren. Das bisherige Jahr 2018 wurde in der Studie noch nicht berücksichtigt. Aber es ist zu vermuten, dass sich an dem Trend nicht viel getan hat.

In einer am Montag erschienenen Studie im Fachblatt „Proceedings of the National Academy of Scienes“ warnen internationale Forscher vor einer „Heißzeit“, die selbst bei Einhaltung des Pariser Klimaabkommens eintreten könnte. Das 2015 geschlossene Abkommen sieht eine Begrenzung der Erderwärmung auf unter zwei Grad vor. Den Wissenschaftlern zufolge könnten Ereignisse des „Erdsystems“ wie die Eisschmelze und das Absterben des Regenwaldes zu Rückkopplungseffekten führen. Diese würden dafür sorgen, dass mehr CO2 und Methan in die Atmosphäre abgegeben werden als durch jegliche menschliche Aktivität zusammengenommen. Klimaforscher, die an der Studie nicht beteiligt waren, kritisieren die Dramatik des Szenarios. Jonathan Overpeck von der Universität Michigan sprach von einem „provozierenden Artikel“. Er fügte aber hinzu: „Die Risiken zu ignorieren, könnte katastrophal für den Menschen und den Planeten werden.“

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