Radikaler Gesetzentwurf Schulze will Ressorts zum CO2-Sparen zwingen

Berlin · In der Koalition gibt es eine heftige Auseinandersetzung darüber, wie der Klimaschutz gesetzlich geregelt werden soll. Die Umweltministerin hat einen Entwurf vorgelegt. Darin setzt sie ihren Kabinettskollegen einen strengen Rahmen - viel strenger als bisher.

 Umweltministerin Svenja Schulze.

Umweltministerin Svenja Schulze.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) will andere Ressorts per Gesetz mit drohenden Einschnitten im Hauhalt und Sofortprogrammen zum Klimaschutz zwingen. Sollten dem Bund Kosten entstehen, weil europäische Verpflichtungen verfehlt werden, würden diese Ausgaben „anteilig nach dem Grad der Nichteinhaltung“ in den Haushaltsplänen der verantwortlichen Bundesministerien veranschlagt, heißt es in einem Entwurf für ein Klimaschutzgesetz, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

Feste Mengen an erlaubten Treibhausgas-Emissionen soll es demnach für die Sektoren Energiewirtschaft, Industrie, Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft sowie „Abfallwirtschaft und Sonstiges“ geben. Die Fachminister sollen für ihren Bereich Programme vorlegen, die von der Bundesregierung beschlossen werden - konkrete Maßnahmen will Schulze also dem Verkehrs- oder dem Bauminister nicht vorschreiben.

Wenn ein Sektor sein Ziel verfehlt, soll die Bundesregierung in der Regel innerhalb von sechs Monaten ein Sofortprogramm beschließen, das wiederum binnen sechs Monaten umgesetzt werden muss. Sektorziele gibt es schon im Klimaschutzplan von 2016, sie sind aber bisher nicht verbindlich. Im Verkehrsbereich etwa hat sich seit 1990 nichts getan. Das Gesetz, wie es Schulze Anfang der Woche dem Kanzleramt zur Früh-Koordinierung vorgelegt hat, würde das ändern.

Im Entwurf heißt es, es seien verstärkte Anstrengungen erforderlich, um den Ausstoß von Treibhausgasen zu mindern und „erhebliche Belastungen“ des Bundeshaushalts abzuwenden. Neben Einzelmaßnahmen in allen Sektoren sei dafür ein übergreifender Rahmen nötig. Klare gesetzliche Regelungen sorgten für Planungssicherheit. Deutschland hat nicht nur nationale Ziele, sondern Verpflichtungen innerhalb der EU. Werden diese verfehlt, muss Berlin Verschmutzungsrechte zukaufen - das könnte für den Steuerzahler teuer werden.

Bis 2050 will Schulze die Treibhausgasemissionen um „mindestens 95 Prozent“ senken - bisher hatte die Koalition eine Spanne von 80 bis 95 Prozent genannt. Auch die Zielwerte der Sektoren für 2030 sind strenger als im Klimaschutzplan, zudem will Schulze jahresgenaue CO2-Budgets vorgeben. Stößt ein Sektor weniger oder mehr Kohlendioxid (CO2) oder andere Treibhausgase aus als erlaubt, soll die Differenz auf die folgenden Budgets angerechnet werden.

Der Bundestag soll laut Entwurf für das Klimaschutzgesetz ein siebenköpfiges „Sachverständigengremium für Klimafragen“ benennen, das unter anderem Klimaschutzmaßnahmen auf ihre Wirksamkeit prüft. Das Gremium soll jeweils Mitte Dezember ein Gutachten vorlegen.

Das Klimaschutzgesetz ist das größte und wichtigste Vorhaben des Umweltministeriums in dieser Legislaturperiode. Es gibt darüber aber bereits einen heftigen Streit in der Koalition. Unionspolitiker wollen kein Rahmengesetz, wie Schulze es plant, sondern nur Maßnahmengesetze für die einzelnen Bereiche. Derzeit berät eine Arbeitsgruppe über Klimaschutz im Verkehr, eine geplante Kommission zum Gebäudebereich hat die Koalition auf Eis gelegt. Für den Kohleausstieg hat eine Kommission ein Konzept vorgelegt.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) warnte die Union davor, die Pläne Schulzes zu blockieren. „Das Klimaschutzgesetz steht im Koalitionsvertrag“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Man könne zwar ernsthaft über Details des Gesetzes reden. „Doch man darf das Klimaschutzgesetz nicht einfach in Frage stellen.“

Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer warf SPD-Chefin Andrea Nahles und Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) vor, ihre Umweltministerin nicht ambitioniert genug zu unterstützen: „Ich hoffe nicht, dass das Klimaschutzgesetz jetzt zum Torso wird oder sich nach und nach sogar ganz erledigt, weil die SPD Spitze keinen Druck macht.“

Der Linke-Verkehrspolitiker Jörg Cezanne sagte, Kürzungen im Verkehrsetat würden umweltschonende Verkehrsträger wie die Bahn treffen, solange Milliardeneinnahmen aus der Maut für den Straßenbau reserviert seien. Sein Fraktionskollege Lorenz Gösta Beutin forderte Kanzlerin Angela Merkel auf, Schulze zu unterstützen. „Die Linke im Bundestag bietet der SPD-Ministerin Schulze im Parlament ihre Unterstützung für ein ambitioniertes Klimaschutzgesetz an“, sagte er.

Dagegen kritisierte FDP-Klimapolitiker Lukas Köhler den Entwurf als „Klima-Planwirtschaft“. Feste Treibhausgas-Mengen für die Sektoren Energie und Industrie seien „völlig absurd“, da deren CO2-Ausstoß durch den EU-Emissionshandel ohnehin europaweit gedeckelt sei.

(cpas/dpa)
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