13 Tage nach Klima-Urteil Kabinett beschließt neues Klimagesetz – Fridays for Future fordert mehr

Berlin · Die erste Kabinettshürde hat das neue Klimaschutzgesetz mit höheren Zielen nun genommen. Auch ein Programm mit Maßnahmen hat die Bundesregierung mitverabschiedet. Klimaaktivisten geht der Beschluss nicht weit genug.

 Umweltaktivisten demonstrierten am Mittwoch vor dem Bundeskanzleramt für mehr Klimaschutz und bildeten eine Menschenkette.

Umweltaktivisten demonstrierten am Mittwoch vor dem Bundeskanzleramt für mehr Klimaschutz und bildeten eine Menschenkette.

Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Die Bundesregierung hat 13 Tage nach einem entscheidenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts ein geändertes Klimaschutzgesetz auf den Weg gebracht. „Vor genau zwei Wochen hätte ich das nicht für möglich gehalten“, sagte Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) am Mittwoch zum Kabinettsbeschluss, der Deutschland bis 2045 treibhausgasneutral machen soll.

 Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) bei einer Pressekonferenz am Mittwoch.

Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) bei einer Pressekonferenz am Mittwoch.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Fünf Jahre früher als erwartet soll das Land nur noch so viele klimaschädliche Gase ausstoßen, wie wieder gebunden werden können. Im Jahr 2030 sollen die Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 um 65 Prozent gesunken sein, um mindestens 88 Prozent bis 2040. Bis dato ist eine Minderung von etwa 40 Prozent geschafft. Um noch eine Schippe draufzulegen, müssen die einzelnen Wirtschaftssektoren wie Verkehr oder Industrie schon bis 2030 kräftig Emissionen einsparen. Das neue Klimagesetz legt neue Jahresziele fest und beinhaltet auch einen Reduktionsfahrplan für die Zeit zwischen 2031 und 2040 - wie es die Richter in Karlsruhe Ende April gefordert hatten.

Das Gesetz bringe eine „Entschärfung der Klimakrise“, sagte Schulze und verkündete gleich auch die weitere Botschaft, die schon kurz vor Mittag bekanntgeworden war: Mit dem Klimagesetz hat die Bundesregierung ein Sofortprogramm aufgelegt, die eine überraschenden Einigung zum seit Wochen anhaltenden CO2-Preis-Streit der großen Koalition enthält. Künftig sollen demnach Vermieter die Hälfte des seit 1. Januar fälligen CO2-Preises auf Öl und Gas übernehmen. „Es wird jetzt endlich der Unfug abgeschafft, dass Mieter alleine die Kosten für den CO2-Preis tragen müssen“, sagte die Umweltministerin. Auch Bundesbauminister Horst Seehofer (CSU) begrüßte die Einigung am Mittwoch als „Erfolg“.

Die Regelung soll einen sozialen Ausgleich schaffen für das, was auch ohne das neue Klimagesetz schon bekannt war: Der CO2-Preis auf fossile Brennstoffe macht das Leben für die meisten Bürger in Deutschland teurer.

Die neue Zusatzbelastung der Vermieterseite muss noch gesetzlich verankert werden. Das soll aber nach dem Willen der Umweltministerin noch in dieser Legislaturperiode gelingen. Was nach ihren Aussagen noch Gegenstand von Verhandlungen ist: konkrete neue Ausbauziele für erneuerbare Energien. Die seien „der Schlüssel zu mehr Klimaschutz“: Im neuen Sofortprogramm, das das Klimagesetz flankiert, ist bislang lediglich die Notwendigkeit verankert, mehr Wind- und Solarenergie im Land zu etablieren. Einem erhöhten CO2-Preis, bevor die erneuerbaren Energien in ausreichendem Maße verfügbar sind, erteilte die Ministerin eine Absage. Beim Klimaschutz gehe es nicht nur darum, dass der Staat mehr Geld einnehme, er müsse auch saubere Alternativen anbieten. Zuvor hatte der stellvertretende Unionsfraktionschef Andreas Jung auf eine Erhöhung gedrungen. An diesem Mittwoch wird deutlich: Im Klimaschutz gilt jetzt auch der Wahlkampfmodus.

Was das neue Sofortprogramm, auch Klimapakt genannt, jetzt konkret vorsieht: Zusätzliche acht Milliarden Euro zur Finanzierung weiterer Klimaschutzmaßnahmen und höhere Standards für Neubauprojekte. Alles in allem sollen noch mehr Anreize entstehen, auf saubere Energiequellen und Systeme zu setzen.

Den Aktivistinnen und Aktivisten der Klima-Bewegung Fridays for Future reicht der Beschluss des Kabinetts nicht aus: Eine Klimaneutralität bis 2045 komme 15 Jahre zu spät. Deutschland müsse bereits in 15 Jahren auf Null sein, um seinen globalen Beitrag zum Pariser Klimaabkommen zu leisten. Andernfalls müssten die Menschen im globalen Süden jetzt und „unsere Generation in der Zukunft“ diese Politik ausbaden, hieß es.

Deswegen demonstrierten die Aktivistinnen und Aktivisten am Mittwoch bundesweit in 15 Städten für radikalere Klimaschutzmaßnahmen. In Berlin bildeten sie eine coronakonforme Menschenkette um das Kanzleramt und forderten ein klimaneutrales Deutschland bis 2035. Der Bundesregierung warfen sie fehlende Konsequenz im politischen Handeln in der Klimakrise vor. Weitere Proteste gab es unter anderem in Köln auf der Domplatte sowie in Frankfurt am Main, Göttingen, München, Ulm, Main, Kassel und Freiberg.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier würdigte das neue Paket als „Meilenstein“. Das geänderte Klimagesetz ermögliche Planungssicherheit für die Wirtschaft, sagte der CDU-Politiker. Jetzt wüssten alle, worauf sie sich einstellen müssen. „Wir haben sozusagen den Klimaturbo eingelegt“, sagte Altmaier.

Der Wirtschaftsminister wies darauf hin, dass die nun vereinbarten zusätzlichen acht Milliarden Euro dazu genutzt würden, die Produktion von grünem Wasserstoff zu beschleunigen oder um die Stahl- und Chemieindustrie klimaneutral zu machen.

Eins ist klar: Auf die Wirtschaft kommen größere Anstrengungen zu. So sieht das Gesetz etwa für die Energiewirtschaft zusätzliche Emissionseinschnitte von 67 Millionen Tonnen Treibhausgasen im Jahr 2030 vor. In Industrie und Verkehr werden Ende des Jahrzehnts jeweils Einschnitte von minus 22 Millionen Tonnen und minus zehn Millionen Tonnen fällig - im Vergleich zu dem, was das bisherige Klimagesetz vorgeschrieben hatte. Und: Sollte sich in den kommenden Wochen herausstellen, dass das Klimaziel der Europäischen Union noch strengere Ziele für Deutschland erforderlich macht, muss vielleicht sogar nachgeschärft werden.

Unklar bleibt, wann genau die einzelnen Maßnahmen des mitbeschlossenen Klimapakts in Kraft treten und welche Maßnahmen noch folgen. Die Umweltministerin nannte das Programm eine „Brücke in die nächste Legislaturperiode“. Mit Blick auf den globalen Kampf gegen den Klimawandel bekräftigte sie aber: „Die Zeit rennt uns davon.“

(bora/dpa/epd)
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